Thüringische Landeszeitung (Jena)

Strukturen retten und auf Sicht fahren

Desaströse­s Jahr für die Kultur in Jena. Verluste von 1,7 Millionen Euro. Planung Kulturaren­a nur vage möglich

- Von Michael Groß

„Katastroph­al!“Mit diesem einen Wort umschreibt Jonas Zipf, Werkleiter bei Jenakultur, das zu Ende gehende Jahr 2020 für die Kultur in dieser Stadt. Die Coronakris­e habe große Einschlagl­öcher hinterlass­en. Von Verlusten bis zu 1,7 Millionen Euro ist die Rede: abgesagte Kulturaren­a mit rund 50 Konzerten, ausgefalle­ne Philharmon­ie-Auftritte mit 40 Konzerten, kein Inklusions-Festival, abgeblasen­e Märkte und vieles mehr. All das summiere sich auf über 300 Veranstalt­ungen, die wegen Corona nicht stattfinde­n konnten, aber mit Einnahmen geplant gewesen seien. Allein durch weggebroch­ene Philharmon­ie-Konzerte fehlen etwa 350.000 Euro im Haushalt von Jenakultur, stellt Zipf konsternie­rt fest.

Hinzu komme, so Zipf, dass zahlreiche Fördergeld­er zum Ausgleich für die Corona-Schäden leider nicht in Jena angekommen seien. Die politische­n Ankündigun­gen seien zwar mitunter sehr blumig gewesen. Doch was dann gefolgt sei, sei oft an den kleingedru­ckten Förderbedi­ngungen gescheiter­t.

Von einer Zerreißpro­be spricht der Werkleiter, wenn er an seine 260

Mitarbeite­r denkt, von denen der größte Tell nun wieder in Kurzarbeit gehen muss. Es habe sich aber gezeigt, dass das Verständni­s und die Solidaritä­t der Kolleginne­n und Kollegen sehr groß seien. Viele haben in kulturfrem­den Bereichen der Stadt ausgeholfe­n, zum Beispiel bei der Besetzung der städtische­n Corona-Hotline oder beim Verteilen von Quarantäne-Bescheiden. Und zu all dem habe auch niemand gezwungen werden müssen. Alles sei auf freiwillig­er Basis erfolgt. Obwohl sich wohl so mancher gefragt haben müsse, ob das auf Dauer seiner Kultur-Qualifikat­ion und fachlicher Erfahrung entspreche.

Wenigstens eines habe das Corona-Jahr aber doch gebracht, sagt Zipf: einen Schub für Digitalisi­erung und Virtualisi­erung auf dem

Kultursekt­or. Als Beispiel dafür nennt er die nun im scharfen Lockdown weiter bestehende­n Bildungsan­gebote von Volkshochs­chule und Musik- und Kunstschul­e. Im Frühjahr habe es da noch allerhand Probleme gegeben, was auch zu Beschwerde­n geführt habe. Doch nun sei man besser gerüstet, habe Lehren aus den Anfangssch­wierigkeit­en gezogen, um den Unterricht jetzt online fortsetzen zu können.

Und zwei Dinge möchte Zipf auch nicht unerwähnt lassen: das Verständni­s und die Spendenber­eitschaft der kulturinte­ressierten Bürger dieser Stadt. Außerdem habe man nun auch ein städtische­s Kulturkonz­ept unter Dach und Fach bekommen, das ein gutes Gerüst für die kommenden Jahre biete.

Logisch, dass nach diesem desaströse­n Jahr sowie der weiter anhaltende­n Coronakris­e die Planungen bei Jenakultur für 2021 nur mit angezogene­r Handbremse erfolgen. „Wir fahren auf Sicht", sagt Carsten Müller, stellvertr­etender Werkleiter von Jenakultur. „Leider können wir noch nichts Konkretes planen. Normalerwe­ise würden wir jetzt am Konzertpla­n für die Kulturaren­a 2021 sitzen und hätten erste Künstler schon gebunden.“

Dennoch wolle Jenakultur auf jeden Fall wieder eine Kulturaren­a organisier­en. Schließlic­h verstehe man sich auch als Kulturtrei­ber. Man trage hohe Verantwort­ung, indem man Konzerte veranstalt­e und damit Künstlern, Technikern, Einlasskrä­ften, Caterern und vielen anderen ihre Einkünfte sichere.

Bei Jenakultur befürchtet man Etatkürzun­gen fürs nächste Jahr

Bei Jenakultur rechnet man auch im neuen Jahr mit Ertragsver­lusten von einem Viertel bis einem Drittel. Obwohl allein Personalko­sten von 400.000 Euro eingespart und drei Viertel der Projektkos­ten gestrichen worden seien, habe man einen Jahresbeda­rf von 19,5 Millionen Euro. Aber da seien ja auch noch Kürzungen durch das Haushaltss­icherungsk­onzept der Stadt zu befürchten.

Deshalb gilt für das Jenaer KulturDuo Zipf/Müller für 2021: die bestehende­n Kulturstru­kturen in Jena übers Jahr hinweg zu retten. Auch die Kultur in den Stadtteile­n und in den Clubs dürften dabei nicht außer acht gelassen werden. Man müsse jetzt mit möglichst wenig Verlusten durch den Tunnel kommen und auf Licht an seinem Ende hoffen.

 ?? FOTO: MICHAEL GROß ?? Auch das gehörte zum Kulturjahr 2020: Künstler wie Heike und Julius Besen als „Boom Boom Broom" beim Straßenmus­ikfestival im Sommer, das ein kleiner Ersatz für die Kulturaren­a war.
FOTO: MICHAEL GROß Auch das gehörte zum Kulturjahr 2020: Künstler wie Heike und Julius Besen als „Boom Boom Broom" beim Straßenmus­ikfestival im Sommer, das ein kleiner Ersatz für die Kulturaren­a war.

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