Thüringische Landeszeitung (Jena)
Strukturen retten und auf Sicht fahren
Desaströses Jahr für die Kultur in Jena. Verluste von 1,7 Millionen Euro. Planung Kulturarena nur vage möglich
„Katastrophal!“Mit diesem einen Wort umschreibt Jonas Zipf, Werkleiter bei Jenakultur, das zu Ende gehende Jahr 2020 für die Kultur in dieser Stadt. Die Coronakrise habe große Einschlaglöcher hinterlassen. Von Verlusten bis zu 1,7 Millionen Euro ist die Rede: abgesagte Kulturarena mit rund 50 Konzerten, ausgefallene Philharmonie-Auftritte mit 40 Konzerten, kein Inklusions-Festival, abgeblasene Märkte und vieles mehr. All das summiere sich auf über 300 Veranstaltungen, die wegen Corona nicht stattfinden konnten, aber mit Einnahmen geplant gewesen seien. Allein durch weggebrochene Philharmonie-Konzerte fehlen etwa 350.000 Euro im Haushalt von Jenakultur, stellt Zipf konsterniert fest.
Hinzu komme, so Zipf, dass zahlreiche Fördergelder zum Ausgleich für die Corona-Schäden leider nicht in Jena angekommen seien. Die politischen Ankündigungen seien zwar mitunter sehr blumig gewesen. Doch was dann gefolgt sei, sei oft an den kleingedruckten Förderbedingungen gescheitert.
Von einer Zerreißprobe spricht der Werkleiter, wenn er an seine 260
Mitarbeiter denkt, von denen der größte Tell nun wieder in Kurzarbeit gehen muss. Es habe sich aber gezeigt, dass das Verständnis und die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen sehr groß seien. Viele haben in kulturfremden Bereichen der Stadt ausgeholfen, zum Beispiel bei der Besetzung der städtischen Corona-Hotline oder beim Verteilen von Quarantäne-Bescheiden. Und zu all dem habe auch niemand gezwungen werden müssen. Alles sei auf freiwilliger Basis erfolgt. Obwohl sich wohl so mancher gefragt haben müsse, ob das auf Dauer seiner Kultur-Qualifikation und fachlicher Erfahrung entspreche.
Wenigstens eines habe das Corona-Jahr aber doch gebracht, sagt Zipf: einen Schub für Digitalisierung und Virtualisierung auf dem
Kultursektor. Als Beispiel dafür nennt er die nun im scharfen Lockdown weiter bestehenden Bildungsangebote von Volkshochschule und Musik- und Kunstschule. Im Frühjahr habe es da noch allerhand Probleme gegeben, was auch zu Beschwerden geführt habe. Doch nun sei man besser gerüstet, habe Lehren aus den Anfangsschwierigkeiten gezogen, um den Unterricht jetzt online fortsetzen zu können.
Und zwei Dinge möchte Zipf auch nicht unerwähnt lassen: das Verständnis und die Spendenbereitschaft der kulturinteressierten Bürger dieser Stadt. Außerdem habe man nun auch ein städtisches Kulturkonzept unter Dach und Fach bekommen, das ein gutes Gerüst für die kommenden Jahre biete.
Logisch, dass nach diesem desaströsen Jahr sowie der weiter anhaltenden Coronakrise die Planungen bei Jenakultur für 2021 nur mit angezogener Handbremse erfolgen. „Wir fahren auf Sicht", sagt Carsten Müller, stellvertretender Werkleiter von Jenakultur. „Leider können wir noch nichts Konkretes planen. Normalerweise würden wir jetzt am Konzertplan für die Kulturarena 2021 sitzen und hätten erste Künstler schon gebunden.“
Dennoch wolle Jenakultur auf jeden Fall wieder eine Kulturarena organisieren. Schließlich verstehe man sich auch als Kulturtreiber. Man trage hohe Verantwortung, indem man Konzerte veranstalte und damit Künstlern, Technikern, Einlasskräften, Caterern und vielen anderen ihre Einkünfte sichere.
Bei Jenakultur befürchtet man Etatkürzungen fürs nächste Jahr
Bei Jenakultur rechnet man auch im neuen Jahr mit Ertragsverlusten von einem Viertel bis einem Drittel. Obwohl allein Personalkosten von 400.000 Euro eingespart und drei Viertel der Projektkosten gestrichen worden seien, habe man einen Jahresbedarf von 19,5 Millionen Euro. Aber da seien ja auch noch Kürzungen durch das Haushaltssicherungskonzept der Stadt zu befürchten.
Deshalb gilt für das Jenaer KulturDuo Zipf/Müller für 2021: die bestehenden Kulturstrukturen in Jena übers Jahr hinweg zu retten. Auch die Kultur in den Stadtteilen und in den Clubs dürften dabei nicht außer acht gelassen werden. Man müsse jetzt mit möglichst wenig Verlusten durch den Tunnel kommen und auf Licht an seinem Ende hoffen.