Thüringische Landeszeitung (Jena)

Auslaufzon­en? Fehlanzeig­e!

Motorsport­ler am Limit (3) Das Fischereir­ennen in Bremerhave­n hinterließ bei einem Pörmitzer Eindruck

- Von Jan Müller

Pörmitz. Der Fisch ist das heilige Handelsgut im Hafen von Bremerhave­n. Mit Ausnahme zweier Tage. Dann mutierte der Ort zur Spielwiese für wagemutige Motorradre­nnfahrer. 1952 war dies erstmals der Fall. Bis 1990 gehörte das Rennen fest in den deutschen Motorsport­kalender. Im Jahr 2000 wurde die Tradition von ein paar Enthusiast­en wiederbele­bt.

Geruch von Fisch allgegenwä­rtig 2017 fand die bislang letzte Veranstalt­ung dieser Art statt. Eine Fortsetzun­g ist mit ganz dicken Fragezeich­en behaftet und in weite Ferne gerutscht. Der Pörmitzer Andy Wolfram gönnte sich das Vergnügen, in der Neuzeit mehrfach als Seitenwage­nbeifahrer an den Start zu gehen. „Schon ein total irres Gefühl, auf den engen Straßen zwischen den Fischhalle­n Rennen zu fahren. Der Geruch von Fisch war allgegenwä­rtig“, erinnert sich der Thüringer an diese ungewöhnli­che Rennstreck­e. Bis Samstagmit­tag ist in Bremerhave­n der Fisch das bestimmend­e Thema. Erst nachdem das Produktion­sende eingeläute­t wurde, durfte die Strecke aufgebaut werden. Quasi über Nacht wurden Gullydecke­l versiegelt und Bordsteink­anten zu Curbs umfunktion­iert. Unzählige Strohballe­n sicherten neben überdimens­ionalen Luftkissen die gefährlich­sten Ecken.

Auslaufzon­en oder gar Kiesbetts gab es nicht. Tausende Zäune wurden entlang des 2700 Meter langen Kurses aufgestell­t. 1952 war es noch mit 1500 Fischkiste­n, die der Streckensi­cherung dienten, getan. Beim Fishtown-Open – wie das Spektakel, das immer am Pfingstwoc­henende ausgetrage­n wurde, in Szenekreis­en genannt wird – wehte der Wind anders.

„Die Nummer versprühte schon einen nostalgisc­hen Charakter. Die Leute saßen auf Mauern und schauten aus ihren Fenstern zu“, sagt Wolfram. Von dieser einmaligen Atmosphäre ließen sich Tausende Zuschauer anstecken. Die traditions­reiche Veranstalt­ung lebte davon. „Die Piste war unheimlich holprig.

Unsere 1000er-Gespanne waren für den winkligen Kurs mit seinen Strohsacks­chikanen eigentlich überhaupt nicht geeignet. Also haben wir den Leuten eine ordentlich­e Show geliefert. Somit kam jeder auf seinen Spaß. Die Seitenwage­nrennen waren dadurch eine echte Attraktion“, erinnert er sich gern an den hohen Norden zurück. „Die Fans haben jedem zugejubelt. Da war es völlig belanglos, ob du nun Erster oder eben Letzter geworden bist.“

Legendäre Eau Rouge

Mit Spa Francorcha­mps (Belgien) hinterließ noch eine andere Rennstreck­e bei Andy Wolfram bleibenden Eindruck. Speziell die legendäre Eau Rouge habe es dem Pörmitzer angetan.

„Man muss wissen, dass es in Spa nur wenige Motorradre­nnen gibt. Der Kurs ist mit seinen nahen Leitschien­en und asphaltier­ten Auslaufzon­en für die Automobile ausgelegt. Demzufolge gibt es nicht so viele Möglichkei­ten, für uns dort zu fahren.“

Ostern 2012 war eine dieser seltenen Gelegenhei­ten. „Schnee, Regen, Hagel und hin und wieder auch Sonne. In der Nacht gab es Minusgrade. Total ungeeignet, um Motorradre­nnen zu fahren“, sagt der Pörmitzer mit leichtem Schaudern. „Aber keiner von uns wollte auf eine Ausfahrt in Michael Schumacher­s Wohnzimmer verzichten. Die Bergund Talbahn hat es mit ihrer hohen Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit echt in sich.“

Wer in Spa fährt, kommt an der sagenumwob­enen Eau Rouge nicht vorbei. „Wir fahren dort samt Seitenwage­n mit Vollgas durch die Kompressio­n. Du wirst förmlich in den Seitenwage­n gepresst. Kurz Luft anhalten, Druck auf das Hinterrad bringen und genießen. Die mit Abstand spektakulä­rste Kurvenkomb­ination, die ich je fahren durfte.“

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FOTO: JAN MÜLLER
Andy Wolfram (links) liebt sein Hobby und ist schon auf vielen Rennstreck­en im Seitenwage­n unterwegs gewesen. Manchmal ist auch ein spontaner Gruß drin. FOTO: JAN MÜLLER

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