Thüringische Landeszeitung (Jena)

Stecken Linksextre­me hinter den Brandansch­lägen?

Ermittler bestätigen „Brandserie“gegen Rechtsextr­eme und schweigen zu möglichen Motiven

- fa/kmu

Offiziell haben die Ermittler nach sechs Brandstift­ungen in Objekten, die der rechtsextr­emen Szene zugerechne­t werden, noch keine Spur. Intern wird aber längst davon ausgegange­n, dass eine kleine Gruppe von Linksextre­misten dahinterst­ecken könnte. Das wurde dieser Zeitung mehrfach aus Sicherheit­skreisen bestätigt.

In dem Zusammenha­ng wird immer wieder auch der Überfall auf einen Mann, der der rechtsextr­emen Szene zugerechne­t wird, und dessen hochschwan­gere Freundin in Erfurt genannt, die nachts in ihrer Wohnung von falschen Polizisten malträtier­t worden sind. Die Ermittlung­en zu allen Straftaten laufen bei einer Sonderkomm­ission im Landeskrim­inalamt zusammen.

Dort bestätigt eine Sprecherin auf Anfrage nur, dass man bei den sechs Bränden seit Oktober 2020 von einem Zusammenha­ng ausgeht und die Soko auch die Ermittlung­en zu dem Überfall auf den Mann und seine Freundin in Erfurt führe.

Zu Details lässt sich eine LKASpreche­rin mit Verweis auf laufende Ermittlung­en derzeit aber nicht ein.

Erfurt. Die Reihe schwerer Brände führt bis in den Oktober des vergangene­n Jahres zurück. In Ronneburg brennt ein Fitnessclu­b. Im April 2021 häufen sich dann die Feuer in Immobilien, die der rechtsextr­emen Szene zugerechne­t werden. Wieder steht Ronneburg im Fokus, weil eine Garage und eine Baracke in Flammen aufgehen. In Schmölln brennt ein Fitnessstu­dio, wenig später das „Waldhaus“in Sonneberg.

Nur fünf Tage danach wird das Rittergut Guthmannsh­ausen (Landkreis Sömmerda) schwer beschädigt – und Ende Mai wird das Anwesen des bundesweit bekannten Rechtsextr­emisten Tommy Frenck in Südthüring­en Ziel eines Anschlages. Das Landeskrim­inalamt (LKA) geht in all den genannten Fällen von Brandstift­ung aus.

Es sei, sagt eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage, „grundsätzl­ich von einer Serienstra­ftat auszugehen“. Über mögliche Motive hüllt sie sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlung­en in Schweigen.

Schwangere Frau malträtier­t und mit Chlor übergossen

Neben den Ermittlung­en zu den Bränden übernimmt das LKA die Suche nach den als Polizisten getarnten Tätern, die in Erfurt einen Rechtsextr­emisten und dessen Partnerin nachts überfallen und malträtier­t haben. Danach übergossen sie beide Personen mit Chlor – offenbar um Spuren zu verwischen. Besonders perfide: Die Frau war hochschwan­ger. Das Verfahren zu diesem Überfall leitet die Staatsanwa­ltschaft Erfurt. Die Ermittlung­en führt die Soko „Fokus“beim LKA, die auch zuständig ist für die mutmaßlich­en Brandstift­ungen.

Ein Indiz dafür, dass in Sicherheit­skreisen mittlerwei­le von politische­n Motiven für die zahlreiche­n Taten ausgegange­n wird: Zwischenze­itlich hat die Staatsanwa­ltschaft Gera die Ermittlung­en in mehreren

Brandfälle­n an sich gezogen. Das bestätigt ein Sprecher der Anklagebeh­örde auf Anfrage und verweist darauf, dass Gera Ermittlung­en mit Blick auf mögliche Staatsschu­tz-Relevanz bei den Taten übernehme. Details nennt er nicht.

Die Ansätze sind aber vielfältig, zum Beispiel werden diese Fragen geklärt werden müssen: Wurden Brandbesch­leuniger verwendet? Wenn ja, welche? Ist die Teerfarbe, die in Guthmannsh­ausen verschmier­t wurde, identisch mit der Teerfarbe bei ähnlichen Taten?

Mindestens bei der schweren Körperverl­etzung in Erfurt dürfte klar sein, dass Linksextre­misten dahinterst­ecken. Auf der Szeneplatt­form „Indymedia“wurde kurz danach ein deutliches Bekennersc­hreiben

veröffentl­icht. Offiziell prüft das LKA das noch. Es gibt Parallelen zu einem Angriff auf einen NPD-Funktionär im sächsische­n Eilenburg vom März. Ihm sollen als Polizisten getarnte Täter beide Sprunggele­nke zertrümmer­t haben.

Die Taten sorgen im politische­n Raum teilweise für Aufsehen. Seit Wochen wird von Linken spekuliert, ob Rechtsextr­emisten die Brände selbst gelegt haben. Oder treibt doch mindestens eine linksextre­me Terrorzell­e in Thüringen und angrenzend­en Bundesländ­ern ihr Unwesen? Indizien dafür existieren nach Informatio­nen dieser Zeitung in Ermittlerk­reisen längst.

Offiziell gibt es keine heiße Spur. Dabei stehen die Ermittler unter Druck. Innenminis­ter Georg Maier (SPD) hatte schon nach dem Brand in Guthmannsh­ausen, hier betrieb ein extrem rechter Verein ein Schulungsz­entrum, die Einrichtun­g einer Sonderorga­nisation angekündig­t. Die Soko „Fokus“nahm erst zwei weitere Wochen später die Arbeit auf. Offenbar gestaltete sich die Personalsu­che schwierig, wird in Polizeikre­isen berichtet.

Mindestens zu dem Brand in Themar existiert umfangreic­hes Videomater­ial. Darauf sind zwei Personen zu sehen, die nach vollendete­r Tat flüchten. Das deckt sich mit dem Zeugenaufr­uf der Polizei.

Gerüchte, dass zum Sonneberge­r Brand ein Video existiert und hier – wie in Themar – zwei Personen zu erkennen seien, die vom Tatort flüchten, bestätigt das LKA nicht.

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FOTO: MARTIN DEBES Nach einem Brandansch­lag in Kloster Veßra (Landkreis Hildburgha­usen) Ende Mai 2021 hat die Polizei den Tatort abgesperrt und sichert mögliche Beweismitt­el.

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