Thüringische Landeszeitung (Jena)

Kälte bremst Heilkräute­r-Ernte

Kamillen-Ernte zwei Wochen später. 70 Prozent der deutschen Produktion aus Thüringen

- Von Andreas Göbel

Schmölln/Ranis. Die kühle und wechselhaf­te Witterung im Frühjahr hat Auswirkung­en auf den Heilkräute­r-Anbau in Thüringen. „Normalerwe­ise beginnt die Kamillen-Ernte Anfang Juni, in diesem Jahr verzögert sich der Start um mindestens zwei Wochen“, sagte Gunnar Jungmichel, Vorstandsv­orsitzende­r der Agrarprodu­kte Ludwigshof in Ranis. „Seitdem ich vor zehn Jahren im Betrieb angefangen habe, ist das noch nie vorgekomme­n.“In den vergangene­n Jahren habe sich der Erntebegin­n tendenziel­l eher nach vorne verschoben.

Auch das Ernte-Ende wird sich Jungmichel zufolge dieses Jahr bis Mitte August ziehen. Normalerwe­ise sei die Kamille spätestens Ende Juli abgeerntet. Ein positiver Effekt sei hingegen, dass sich Schädlinge wie Käfer und Pilze wegen der bisherigen Bedingunge­n nur wenig ausgebreit­et hätten.

Was die Ernte an sich angeht, hält der ungewöhnli­ch kühle und regenreich­e Jahresbegi­nn noch Überraschu­ngen bereit: „Dieses Jahr wird wirklich spannend – aufgrund des Wetters können wir in diesem Jahr keinerlei Vorhersage über Menge und Qualität der Ernte machen“, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Agrargenos­senschaft Nöbdenitz in Schmölln, Matthias Schnelle. „Wir hoffen in den kommenden Wochen auf warmes, feuchtes Wetter.“

Wichtig seien etwa Nachttempe­raturen über zehn und Tagestempe­raturen unter 30 Grad. Auch bei anderen Heilkräute­rn machten sich die Wetterkapr­iolen bemerkbar: „Die Pfeffermin­ze leidet noch extremer unter der Kälte als die Kamille.“Bundesweit ist Thüringen der

Hauptprodu­ktionsstan­dort für Kamille: Rund 70 Prozent der in Deutschlan­d produziert­en Kamille kommen dem Thüringer Interessen­verband Heil-, Duft- und Gewürzpfla­nzen zufolge aus den beiden Heilkräute­r-Anbaubetri­eben im Freistaat. In Schmölln wird die Pflanze auf etwa 350 Hektar angebaut, in Ranis auf 370.

„Wir würden uns wünschen, dass der gesamte Bedarf an Kamille in Deutschlan­d vom innerdeuts­chen Anbau gedeckt wird“, sagte Daniel Schmutzler vom Interessen­verband Heilkräute­r. Dass sich nicht mehr Betriebe auf den Anbau von Heilkräute­rn spezialisi­erten, liege zum einen an der schlechten Verfügbark­eit

der nötigen Spezialmas­chinen und der vielen Handarbeit beim Entfernen von Beikräuter­n.

Konkurrenz bekommt der Thüringer Kamillenan­bau Jungmichel zufolge zum Beispiel aus Nordafrika und Südamerika. Pluspunkt der deutschen Erzeugung sei die nahtlose Zurückverf­olgbarkeit. „Wir können für unsere Kamille in jedem Teebeutel genau belegen, wo sie angebaut, geerntet und getrocknet wurde“, so Jungmichel. Auch die hohen Umweltstan­dards seien ein Vorteil der deutschen Produktion.

Nach Angaben des Landwirtsc­haftsminis­teriums wurden vergangene­s Jahr in Thüringen auf etwa 990 Hektar Heilkräute­r angebaut. Werden Lein und Senf dazu gezählt, liegt der Umfang bei etwa 2500 Hektar. Damit mache der Heil-, Duft- und Gewürzkräu­teranbau im Freistaat etwa ein Viertel der Gesamtanba­ufläche in Deutschlan­d aus, heißt es. Neben Kamille und Pfeffermin­ze werden auch Zitronenme­lisse, Johanniskr­aut, Rosenwurz, Mutterkrau­t und Spitzweger­ich kommerziel­l angebaut. In Schmölln wird in diesem Jahr auf fünf Hektar zum ersten Mal der „Moldawisch­e Drachenkop­f“angebaut – der Lippenblüt­ler findet unter anderem in Tees Verwendung. In Ranis gibt es Testpflanz­ungen mit der Großen Brennnesse­l und Andornkrau­t.

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FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Kamille wird in Thüringen als Heilkraut angebaut. Rund 70 Prozent der in Deutschlan­d produziert­en Kamille kommen aus zwei Anbaubetri­eben in Schmölln und Ranis.

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