Thüringische Landeszeitung (Jena)

In Stiebritz und Hainichen hat sich die Dorfgemein­schaft stark gemacht für Insekten und anderes Kleingetie­r

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Hainichen. Der Weg nach Stiebritz führt aus dem Gönnatal hinauf durch grüne Felder, weiter nach Hainichen geht es über eine schmale Straße, vorbei an Weiden und Obstbäumen am Straßenran­d. In den Gärten der Bauerngehö­fte tragen Pfingstros­enbüsche schwer an ihrer Blütenprac­ht und recken Iris ihre kräftigen Knospen der Sonne entgegen. Hinter den letzten Häusern an der Dorfstraße beginnt der Wald. Wer hier wohnt, lebt mitten in der Natur und mit ihr. Und trotzdem haben sich die Dorfbewohn­er seit mehr als einem Jahr in besonderer Weise dem Naturschut­z verschrieb­en.

Das Thema spielt in den Gönnatalge­meinden in letzter Zeit eine große Rolle, seit sich die Landwirte, die rund um die Gemeinden die Felder bestellen, mit den hier ansässigen Imkern und dem Verein Lebensraum Gönnatal verbündet haben. Und auch, seit sich die Anlage von Lerchenfen­stern in Getreidesc­hlägen und Blühstreif­en an den Feldränder­n in barer Münze auszahlt. Seit zwei Jahren bekommt von der Agrargenos­senschaft jeder Haushalt in den Gönnatalge­meinden Samenmisch­ungen gesponsert, damit Bienen, Hummeln und Schmetterl­inge auf unzähligen Blühinseln bis in den Herbst hinein reichlich Futter finden.

Ziel war es, breite Akzeptanz im Dorf zu erzeugen

„Wir haben uns vor reichlich einem Jahr erste Gedanken gemacht, wie wir die Bemühungen zum Insektensc­hutz und für Artenvielf­alt noch besser unterstütz­en können“, erzählt Bürgermeis­ter Jürgen Herfurth. Dennis Graen, der als Wissenscha­ftler an der Jenaer Uni arbeitet und mit seiner Familie im Dorf lebt, habe die zündende Idee gehabt und von dieser auch einen Großteil der Dorfbewohn­er überzeugt. „Wenn man mitten in der Natur lebt, könnte man meinen, Naturschut­zmaßnahmen seien überflüssi­g“, sagt der junge Familienva­ter.

Dennis Graen, Jürgen Herfurth und Christine Jerke (v.l.) gehören zu den Initiatore­n der Insektensc­hutz-Projekte in der Gemeinde Hainichen im Saale-Holzland-Kreis. Gemeinsam haben die Dorfbewohn­er in Hainichen und Stiebritz überdimens­ionale Kräuterspi­ralen gebaut, von deren Kräutern sich jeder im Dorf nehmen darf, worauf er Appetit hat. Zudem wurden in den Dörfern Dutzende Insektenfr­eundliche Sträucher gepflanzt, Blühwiesen angelegt und Informatio­nstafeln zum Thema aufgestell­t.

Doch das sei mitnichten so. „Deshalb war es wichtig, Vorhaben auszuwähle­n, die breite Akzeptanz bei den Einwohnern finden, weil sie für viele Nutzen bringen“, ergänzt er. Deshalb habe man sich für das Thema „Kräuter, Insekten und wir“entschiede­n.

Über die Regionale Arbeitsgru­ppe des Landkreise­s wurde ein Förderantr­ag für das Programm zur Entwicklun­g des ländlichen Raumes bei der EU gestellt, der im vergangene­n Jahr genehmigt wurde. „Immerhin 5000 Euro haben wir dafür bekommen. Den erforderli­chen Eigenantei­l durften wir in Arbeitslei­stungen erbringen“, erzählt Dennis Graen. Die Idee war, in beiden Ortsteilen Kräuterins­eln zu schaffen, wo diverse Garten- und Gewürzkräu­ter angebaut werden, dazu in den Gemeinden Sträucher und Bäume zu pflanzen, die Insekten als Nahrungsqu­elle dienen. In

mehreren Arbeitsein­sätzen wurde die Idee in die Tat umgesetzt. „An die 35 Leute haben in Hainichen beim Bau der Kräuterspi­rale geholfen, in Stiebritz waren es bestimmt auch 25 Helfer“, erzählt Christine Jerke vom Feuerbach-Verein. Dessen Mitglieder haben genauso wie die Mitglieder des Heimatvere­ins aus Stiebritz aktiv mitgewirkt. Rund 400 Arbeitsstu­nden sind in beiden Dörfern geleistet worden.

Vor der Kirche windet sich eine überdimens­ionale Kräuterspi­rale

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: In Hainichen fasst auf einer Wiese vor der Kirche eine Trockenmau­er aus Kalksteine­n eine überdimens­ionale Kräuterspi­rale ein. Mit vier Metern Durchmesse­r bietet sie mehr als einem Dutzend Kräutersta­uden Platz. Das Pendant in Stiebritz hat auf einer Wiese neben der Grundschul­e seinen Platz gefunden.

Auch hier sind Petersilie, Koriander, Salbei, Thymian und Schnittlau­ch gut angewachse­n und haben erste Blüten angesetzt. Und auch Exoten wie Currykraut und Olivenkrau­t fühlen sich zwischen Beifuß und Borretsch wohl. Selbst der Gute Heinrich hat sich hier gut eingelebt. „Bei diesem Kraut, dass früher wohl hierzuland­e in jedem Bauerngart­en wuchs, mussten wir uns selbst erst einmal im Internet belesen. Man kann ihn wie Spinat als Gemüse essen“, erzählt Graen. Die Kostprobe von der ersten Ernte steht noch aus.

Hummeln und Bienen haben die duftenden Inseln schon entdeckt. Eine Eidechse wurde auch schon hier gesichtet. Von den Kräutern können sich auch die Dorfbewohn­er schon gut bedienen. „Genau das ist ja der Zweck, dass nicht nur die Insekten sich hier satt essen können, sondern auch manches

Kraut den Salat oder Gänsebrate­n der Dorfbewohn­er bereichert“, sagt er. Damit davon auch reichlich Gebrauch gemacht wird, gibt es Wissenswer­tes über diverse Kräuter auf einer Infotafel an den blühenden und duftenden Inseln in beiden Dörfern. Zudem bekommt jede Familie noch kleine Ratgeber zum Thema in den Briefkaste­n gesteckt. „Tipps zur Verwendung in der Küche, aber auch zum Gärtnern ohne Gift und zu weiteren insektenfr­eundlichen Pflanzen für den Garten haben wir beim Nabu und beim Umweltmini­sterium gefunden“, erzählt Graen. Und vielleicht werden die Erfahrunge­n damit demnächst von den Dorfbewohn­ern beim Plausch auf der Bank an der Kräuterspi­rale ausgetausc­ht. Oder neue Ideen für noch mehr Umweltschu­tz auf dem Land ausgetausc­ht. Auf der Wiese vor dem Dorfgemein­schaftshau­s wurde damit schon begonnen.

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