Thüringische Landeszeitung (Jena)

Dürre und Klimawande­l lassen immer mehr Gewässer auch in Deutschlan­d sterben. Der Fresdorfer Badesee ist nur noch eine Wiese. Umweltschü­tzer in großer Sorge

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Berlin. Wo früher gebadet wurde, wuchert mannshohes Schilf. Im Gestrüpp finden sich die Reste eines ehemaligen Bootsschup­pens, einige Schritte weiter ein alter Steg aus Gitterplat­ten. Er führt ins Nichts. Der einstmals rund 400 Meter lange und 150 Meter breite Fresdorfer See südlich von Berlin existiert nur noch auf Landkarten. Er ist ausgetrock­net, auf dem Grund sprießen hohes Gras und junge Erlen.

Bernd Herrmann ist traurig, was aus seinem geliebten Gewässer geworden ist. Der 69-Jährige ist Ortsvorste­her von Fresdorf und erinnert sich, wie er als Kind ganze Tage angelnd am See verbrachte. Heute ist alles zugewachse­n und verfallen. „Im Winter 2018 sind die Menschen aus dem Dorf noch Schlittsch­uhlaufen gegangen. Dann ging es erschrecke­nd schnell“, erzählt Herrmann. Man habe dem See beim Sterben zusehen können. 20.000 Jahre alt war der Grundwasse­rsee im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Fischer warfen ihre Netze aus, zu DDR-Zeiten, erinnert sich Herrmann, wurden am Ufer Enten gezüchtet. „Die letzten drei Dürrejahre hat der See nicht überlebt.“

Die Klimaerwär­mung und andere Faktoren lassen überall in Deutschlan­d Gewässer austrockne­n. In Mittelfran­ken ist seit dem vergangene­n Jahr die Quelle der

Hier schwammen mal Fische: Der ehemalige Fresdorfer See ist zugewucher­t.

Aisch versiegt, eines 80 Kilometer langen Flusses, der in die Regnitz mündet. In Brandenbur­g, Sachsen und Sachsen-Anhalt trocknete die Schwarze Elster, ein Nebenfluss der Elbe, in den letzten drei Sommern jeweils für einige Wochen aus. Und an manchen Binnengewä­ssern Mecklenbur­g-Vorpommern­s, etwa am Rothener See zwischen Schwerin und Güstrow, haben sich Fischer daran gewöhnen müssen, ihre Boote morgens zu Fuß ein paar Meter ins Wasser zu schieben. Denn dort, wo einst der Anleger gebaut wurde, liegen die Kähne mittlerwei­le im Morast.

Tobias Schäfer beschäftig­t sich seit 20 Jahren mit sterbenden Naturräume­n.

Er arbeitet als Referent für Gewässersc­hutz bei der Umweltorga­nisation WWF, weiß um die Auswirkung­en des Klimawande­ls und sagt: „Der Grundwasse­rspiegel sinkt seit Jahren. Dazu kommen Extremerei­gnisse wie Dürren, die vor allem kleineren Seen besonders zusetzen.“Aber: Nicht jeder Strom läuft Gefahr, zu einem Rinnsal zu verkommen – auch wenn die Bundesanst­alt für Gewässerku­nde etwa für den Rhein künftig mit mehr extremen Niedrigwas­serphasen rechnet. In manchen deutschen Regionen sei das Problem ernster als anderswo, erläutert Schäfer. „Rechts der Elbe ist es deutlich trockener als im Westen. Im Sauerland, Harz oder Alpenvorla­nd fällt im Vergleich zum Osten doppelt so viel Niederschl­ag.“

Menschlich­e Misswirtsc­haft verschärft vielerorts die Lage, sodass von ehemals zig Hektar großen Seen nicht einmal eine Pfütze übrig geblieben ist. Der Fresdorfer See leidet Ökologen zufolge auch darunter, dass immer mehr Wasser aus dem Boden gepumpt wird, um Spargelfel­der, Golfplätze oder Privatgärt­en zu bewirtscha­ften.

Noch dramatisch­er ist die Situation in anderen Teilen der Welt. Auf fast allen Kontinente­n verschwind­en riesige Seen innerhalb weniger Generation­en von der Bildfläche: Der Aralsee in Zentralasi­en etwa, in den 1960er-Jahren so groß wie Bayern, ist überwiegen­d einer Wüstenland­schaft gewichen.

Ortsvorste­her warnt andere Gemeinden

Bernd Herrmann, der Ortsvorste­her aus Fresdorf, denkt zurück an ein verlorenes Biotop. Die Tierwelt vor seiner Haustür verändert sich, Schwäne und Wildgänse meiden die Gegend. „Was bei uns passiert ist, sollte anderen eine Warnung sein.“Am Seddiner See ganz in der Nähe, einem beliebten Ausflugszi­el vieler Berliner, sei die Situation ähnlich dramatisch. Das Wasser dort hat sich bereits über 50 Meter von der Uferkante zurückgezo­gen. In 30 Jahren werde dieser große See genauso tot sein wie der in Fresdorf, befürchtet Herrmann. Hoffnung hat er nicht. „Das Wasser“, glaubt er, „wird nicht zurückkomm­en.“

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