Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ermittlungen gegen Polizeibeamten
Nach dem möglichen Anlage-Verlust von 50 Millionen Euro will Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) flexibler Schulden aufnehmen
Kassel/Erfurt. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt weiter gegen einen Thüringer Polizeibeamten wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt. Das bestätigte die Anklagebehörde. Zudem hat das Thüringer Innenministerium Anzeige gegen unbekannt erstattet. Ein Bürger hatte nach der Demo in Kassel der Polizeivertrauensstelle mitgeteilt, dass in einem Video zu sehen sei, wie der Polizist einer Person auf den Arm schlage.
Erfurt. Genau 50 Millionen Euro an Thüringer Steuergeldern sind in akuter Gefahr. Seit die GreensillBank Pleite ging, gehört das Land zu den Gläubigern. Es ist ungewiss, ob und wie viel Geld gerettet werden kann. Seit der peinlichen Erfahrung legt Thüringen keine Gelder bei Privatbanken mehr an. Nun plant Finanzministerin Heike Taubert (SPD) eine Gesetzesänderung. Wir sprachen mit ihr darüber.
Glauben Sie, dass Sie die 50 Millionen Euro jemals wiedersehen?
Ich bin guter Hoffnung, dass zumindest ein großer Teil im Laufe des Insolvenzverfahrens der Bank an das Land zurückgezahlt wird. Aber das wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern, wahrscheinlich Jahre.
Noch einmal ganz kurz: Wie konnte das passieren?
Weil Thüringen zuweilen sehr viel flüssiges Geld mit sich herumschleppt. Zum Beispiel waren die Steuereinnahmen und Zuschüsse vor der Corona-Pandemie so hoch wie noch nie in der Landesgeschichte. Gleichzeitig flossen die geplanten Gelder für Investitionen langsamer als gedacht ab, zum Beispiel weil Bauunternehmen überlastet waren. Rekordeinnahmen bei stockenden Ausgaben: Damit hatten wir zuweilen sehr viel Geld in der Kasse, sozusagen auf dem Girokonto.
Wie viel?
Bis zu drei Milliarden Euro. Und darauf müssen wir inzwischen Negativzinsen von 0,5 Prozent zahlen. Um das zu verhindern, hatten wir vorübergehend das liquide Geld als Festgeld angelegt, wofür wir dann sogar ein wenig Positivzinsen bekamen, was übrigens nur noch sehr wenige Privatbanken in diesen Umfängen anboten. Das Ziel war nicht, dass wir Profit machen, sondern dass wir am Ende nicht Geld verlieren, also bei plus minus null rauskommen.
Und das ging schief?
Bei der Grennsill-Bank ja, in einem Fall, obwohl sie ein sehr gutes Rating von A+ hatte. Wir haben daraus gelernt und legen jetzt nicht mehr bei Privatbanken an, sondern lassen das Geld bei Sparkassen und Landesbanken verwahren, wo die Einlagen über einen Sicherungsfonds garantiert sind, und nehmen dann halt Negativzinsen in Kauf. Das kostet uns aktuell wahrscheinlich fünf bis 15 Millionen Euro im Jahr. Deshalb will ich erreichen, dass wir gar nicht erst so viel Geld in der Tageskasse haben.
Wie soll das funktionieren?
Ich möchte die flüssigen Mittel flexibler einsetzen können. Thüringen hat ungefähr 16 Milliarden Euro an Altschulden. Diese Schulden muss man sich als einen großen Berg vorstellen, der immer wieder umgeschichtet wird. Die Schulden bestehen ja aus Hunderten Einzelkrediten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten ablaufen und dann neu geschlossen werden müssen. Das nennt sich Umschuldung – wobei es aber eine gesetzliche Frist gibt. Zum Abschluss eines Haushaltsjahres, das ist meistens im März des Folgejahres, muss die Schuldenbilanz entsprechend der Zahlen im Landesetat ausgeglichen sein.
Okay. Und was hat das mit dem Geld in Ihrer Kasse zu tun?
Den müssen sie sich als kleineren Berg neben dem großen Altschuldenberg vorstellen. Mein Ziel ist es, dass meine Mitarbeiter in dem Moment, wenn dieser kleinere Berg größer wird, also die Ausgaben nicht abfließen, dieses liquide Geld kurzzeitig dazu verwenden können, die Altschulden zu bedienen. Das heißt, ich schaufle etwas von dem kleinen auf den großen Berg. Oder anders gesagt: Wir schulden mit eigenem, liquiden Landesgeld um, wenn es da ist. Dafür muss aber im nächsten Haushaltsgesetz die Frist verlängert werden. Das gäbe uns den nötigen Handlungsspielraum.
Das Haushaltsgesetz wird wahrscheinlich erst der nächste Landtag verabschieden, für September sind Wahlen geplant.
Ja. Aber ich werde bis zur Wahl einen Entwurf vorlegen, in dem sich dieser Passus findet. Ich hoffe, dass Thüringen ab dem Haushalt 2022 so vorgehen kann.