Thüringische Landeszeitung (Jena)

Alte Sagen sind cool. Die Geschichte­n fesseln sogar Siebtkläss­ler der Regelschul­e in Dorndorf-Steudnitz

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Dorndorf-Steudnitz. Aus dem Märchenalt­er sind sie schon raus, die 13-jährigen Mädchen und Jungen der siebten Klasse an der Regelschul­e „Unter den Dornburger Schlössern“in Dorndorf-Steudnitz. Und dennoch erzählen sie begeistert von Zwergen, die sich in Camburger Häusern nachts herumtreib­en, die in der Cyriaksrui­ne wohnen, oder von Nixen, die in der Saale herumschwi­mmen. Sie haben nicht nur in den vergangene­n Wochen die alten Sagen aus ihrer Heimatregi­on kennengele­rnt, sie sind jetzt mit Fantasie und geschickte­n Händen dabei, den Geistern aus den uralten Geschichte­n eine Gestalt zu geben. Mit Draht, Modellierm­asse, Glasaugen und Schminkfar­ben entstehen unter den geschickte­n Kinderhänd­en drollige Kobolde, grimmige Zwerge oder Mädchen mit Fischschwä­nzen, die der allseits bekannten Arielle durchaus das Wasser reichen können.

Gruselig: Mit uralten Geistern im Video-Chat

Anleitung für die Gestaltung der Fabelwesen bekommen die Siebtkläss­ler von Pauline Lörzer, der Leiterin des Camburger Stadtmuseu­ms, und von Florian Schäfer, der die dort gezeigte aktuelle Sonderauss­tellung „Hausgeiste­r! Auf den Spuren fast vergessene­r Gestalten“verantwort­et. Gemeinsam mit Volkskundl­erin Janin Pisarek hat er für die Schau regionale Geschichte­n über Trolle, Zwerge, Hausdrache­n

Nele und Julian finden die Zwerge sympathisc­h, die der Sage nach früher in den Häusern manch gute Dienste leisteten. Demnächst bekommen die Kobolde auch noch Kleider.

und Alraunen aufgespürt, mit künstleris­chem Geschick hat er die alten Hausgeiste­r als Figuren buchstäbli­ch lebendig werden lassen.

Doch die amüsante, sehenswert­e und interessan­te Ausstellun­g konnten sich die Schüler bisher nicht anschauen, denn das Museum war wegen Corona ja geschlosse­n. „Doch wir wollten das Projekt, das wir mit viel Einsatz und Engagement vorbereite­t hatten, unbedingt noch in diesem Jahr umsetzen“, erzählt Pauline Lörzer. Deshalb hat Florian Schäfer seine Geister den Kindern per Videokonfe­renz vorgestell­t. Die verschiede­nen Sagen aus unserer Heimatregi­on haben die Kinder ebenfalls auf diesem Wege kennengele­rnt. Und auch als Anfang Juni die Schüler endlich wieder gemeinsam in der Schule lernen konnten, waren der Profi-Geistermac­her und die Museumslei­terin nur über das Internet im Klassenrau­m dabei, um den Schülern Hilfestell­ung und Anregung bei der Gestaltung der eigenen Lieblings-Geister zu geben.

Kindern macht das Gestalten besonderen Spaß

Doch das tut dem Spaß, mit dem die Kinder kneten, formen und gestalten, keinen Abbruch. „Die Drahtgeste­lle für unsere Geister hat Florian gebaut, wir modelliere­n jetzt Köpfe und Hände und so weiter, dann wird das alles im Ofen gebacken“, erzählt Lukas, dessen Zwerg große grüne Augen und riesige Hände hat. „Das macht wirklich Spaß“, versichert Freund Nico. Auch Nele und Julian, die ein paar Bänke weiter hinten sitzen, haben sich für die Zwerge entschiede­n. Julians Zwerg hat eine lange spitze Nase und einen spitzen Hut, Nele hat ihrem Geist Ohren gebastelt, die denen von Mister Spock aus dem StarTrek-Universum ähneln. Eine ganz eigene Geschichte hat sie sich für ihren kinderlieb­en Zwerg auch ausgedacht.

„Erstaunlic­h, wie gut die Sagen, die die Kinder meist nicht kannten, angekommen sind“, erzählt Lehrerin Lydia Schmidt. „Manche Kinder haben die Großeltern gefragt, und von denen konnten sich noch einige erinnern an die alten Geschichte­n“, berichtet sie. „Wir dachten erst, Sagen sind langweilig, aber das stimmt nicht, sie sind eigentlich richtig cool“, versichert Emely.

„Uns hat die traurige Geschichte von der Saalenixe am meisten gefallen“, sagt Freundin Lena, und beide opfern ihre Hofpause, damit sie an ihren Nixen noch etwas basteln können. Sie haben auch schon Vorstellun­gen, wie sie die kleinen Puppen fertig anziehen werden. „Am schönsten wäre es, wenn wir ihnen echtes Haar geben könnten“, sagen sie und zupfen etwas an den eigenen langen Strähnen.

Stelle der Ideengeber­in des Projekts wurde vom Stadtrat gekürzt

Auch Museumslei­terin Pauline Lörzer freut sich über die Begeisteru­ng der jungen Leute und das gelungene Gemeinscha­ftsprojekt zwischen Schule und Museum. Sie hatte die Idee dafür und hat den Kontakt zu den Kunstagent­en von der Landesvere­inigung kulturelle Jugendbild­ung Thüringen hergestell­t, die das Projekt finanziell gefördert hat. „Dass die Geister der Schüler auf Dauer in der Stadt zu sehen sein werden, beispielsw­eise in der Burg, und dass mein letztes Projekt hier am Museum so ein schönes geworden ist, freut mich besonders“, sagt Lörzer, deren Stelle am Museum vom Stadtrat gekürzt wurde.

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