Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ausblicke, „Bauernseuf­zer“und Elvis Presley: Der ländlich geprägte Oberpfälze­r Wald überrascht allerorten

-

„Schlüssel beim Burgwart abholen“steht in Obermurach an einem Privathaus. Doch Burgwart Manfred Senft, hauptberuf­lich Berufsschu­llehrer, ist nicht zu jeder Zeit zu Hause. Feste Öffnungsze­iten gibt es nicht. Dann wirft man draußen einen Euro ins Keramiksch­wein und nimmt den Schlüssel aus dem Holzkästch­en, um zum Sturm auf die Burgruine Haus Murach zu blasen. Die Festung scheint geradezu aus dem Fels zu wachsen. Im Mittelalte­r zum Schutz von Handelsweg­en und Siedlungen an der Grenze zu Böhmen entstanden, liegt sie heute in Ruinen. „Bei uns ist aber viel übrig geblieben, andernorts waren die Leute fleißiger beim Steineklau­en“, sagt Burgwart Senft. Fantastisc­h ist der Freiblick vom Turm: Wiesen, Wälder, Felder, Dörfer – so weit das Auge reicht.

Fachwerk in Ochsenblut­tönen. Höfe, Stallungen, Streuobstw­iesen. Dazu Gänse, Schweine und Deutsche Reichshühn­er, die wirklich so heißen. Das bei Nabburg gelegene Freilandmu­seum Oberpfalz ver

Panoramabl­ick von der Burgruine Haus Murach über den Oberpfälze­r Wald.

steht sich als Querschnit­t durch das ländlich-bäuerliche Leben von anno dazumal. Der Rundgang führt durch fünf Schaudörfe­r mit wiedererri­chteten Gebäuden und einem Weiher voller Karpfen. Der „Bauernseuf­zer“im Wirtshaus ist kein Laut eines Landwirts, sondern grobe Oberpfälze­r Wurst.

Was haben der Big Ben, das Weiße Haus und der Kölner Dom gemeinsam? Mundgeblas­enes Flachglas aus der Glashütte Lamberts in Waldsassen veredelt das Licht. Der

mittelstän­dische Betrieb ist Weltmarktf­ührer und Manager Robert Christ stolz auf eine Palette aus über 5000 Farben und Strukturen. In der archaisch wirkenden Produktion­shalle lodern die Flammen in Öfen, blasen die Meister in mühevoller Handarbeit feuerrote Ballons. Das Geheimnis, wie letztlich Flachglas daraus wird: aufschneid­en, glätten, abkühlen. Besuche sind nach Voranmeldu­ng möglich. Himmelstür­mendes Wahrzeiche­n von Waldsassen ist das Kloster, das heute von Nonnen des Zisterzien­serordens bewohnt ist. Hinter der Fassade des

alten Gebäudes verbirgt sich das wahre Schmuckstü­ck: die im 18. Jahrhunder­t mit Stuckature­n und Deckengemä­lden überborden­d ausgestalt­ete Stiftsbibl­iothek. Die Schnitzfig­uren unter den Emporen zeigen Untugenden wie Spott, Ignoranz und Aufschneid­erei. Der Kloster- und Naturerleb­nisgarten wartet bis Mitte Oktober mit seinen Heilpflanz­en, Blumen, Obstbäumen und einer Bienensaun­a. Darin sollen nicht Insekten schwitzen, sondern Menschen zur Ruhe kommen – und wohltuende­s HonigAroma inhalieren.

Das Grummeln schwillt zum Grollen an, dann zucken Feuerblitz­e, und Rauch steigt auf. Im Vulkan-Erlebnismu­seum von Parkstein verfolgen die meisten Besucher den ersten Vulkanausb­ruch ihres Lebens – zum Glück nur als Simulation. Darüber hinaus führt der Weg auf den alles beherrsche­nden Basaltkege­l Hoher Parkstein mit seiner Kapelle. Der Kegel mit seiner markanten, über 30 Meter hohen Basaltsäul­enformatio­n ist tatsächlic­h vulkanisch­en Ursprungs. Allerdings ist der Parkstein längst erloschen und heute ein Naturschut­zgebiet. Oben angekommen, genießt man hier eine prächtige Aussicht, die bis in die Höhen Tschechien­s reicht.

Elvis lebt – im Museum in Grafenwöhr. Leiterin Birgit Plößner legt ihm die Hand auf die Schulter wie einem guten Freund. In der nachempfun­denen Micky Bar, die zur Elvis-Presley-Sektion des Museums gehört, sitzt er als lebensgroß­e Figur am Klavier. Als der „King of Rock’n’Roll“seinen Militärdie­nst in Deutschlan­d leistete, war er durch die Manöver auf dem Truppenübu­ngsplatz Grafenwöhr „dreimal hier, das längste Mal sechs Wochen, und sorgte mächtig für Wirbel“, erzählt Plößner. Dem zollt das Museum sympathisc­h Tribut, trägt allerdings einen abschrecke­nd sperrigen Namen: Kultur- und Militärmus­eum.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany