Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Narben der CDU

Die Thüringer Christdemo­kraten nicken ihre Bundestags­wahlliste ab. Spitzenkan­didat Hirte bekommt 70 Prozent

- Von Martin Debes

Erfurt. Wenn etwas vorgeblich genau so läuft, wie es geplant ist, dann ist es umso mehr geboten, auf Details zu achten. Zum Beispiel auf die Wortwahl.

„Fulminant“war eines der Worte, das der CDU-Landesvors­itzende Christian Hirte am Samstag am häufigsten im Kongressze­ntrum der Erfurter Messe nutzte – sei es nun zur Beschreibu­ng der Rede des kurz gastierend­en Bundestags­fraktionsc­hefs Ralph Brinkhaus oder den Sieg der Union bei der Landtagswa­hl in Sachsen-Anhalt. Andere gerne genommenen Begrifflic­hkeiten lauteten „stark“oder „gemeinsam“, die Hirte bevorzugt in Kombihaben

nation mit „Team“oder „Wahlkampf“gebrauchte.

Nun sind dies durchaus gängige Worte für einen Parteitag, der zum Zwecke der Wahl einer Liste zusammenko­mmt – zumal dann, da Hirte diese Liste selbst anführen will. Aber angesichts des Umstands, dass die CDU nur noch drittgrößt­e Landespart­ei ist, zumal sie gerade wieder einmal bundesweit auffiel,

sie doch einen besonderen Klang.

Zuletzt konnte Hirte nicht verhindern, dass in Südthüring­en der frühere Bundesverf­assungssch­utzchef Hans-Georg Maaßen zum Direktkand­idaten für die Bundestags­wahl nominiert wurde. Fast parallel musste Landtagsfr­aktionsche­f Mario Voigt ohnmächtig erleben, wie vier Landtagsab­geordnete ihr Nein zu der mit Rot-Rot-Grün vereinbart­en Neuwahl des Landtags erklärten. Damit ist die nötige Zweidritte­lmehrheit in Gefahr.

Immerhin hatte Maaßen den beiden den Gefallen getan, weder für die Liste zu kandidiere­n noch in Erfurt zu erscheinen. Allein seine bloße Anwesenhei­t hätte wieder jede

Aufmerksam­keit auf ihn gelenkt. So aber konnte sich der Bundestags­abgeordnet­e Hirte halbwegs ungestört an der Konkurrenz abarbeiten. Die AfD, sagte er, sei eine „völkische Partei“, vom Verfassung­sschutz als „erwiesen rechtsextr­em“eingestuft. Daher gelte: „Eine Stimme für die AfD ist eine verlorene Stimme für die Demokratie.“Im Bund aber seien die Grünen der wichtigste Gegner. Sie stünden für „Staatsgläu­bigkeit“, „Dirigismus“und „Scheinthem­en wie das Binnen-I oder BinnenSter­nchen“.

Dies alles trug Hirte allerdings ausgesproc­hen unfulminan­t im Ton eines Hauptsemin­ar-Referats vor. Dagegen hielt Voigt, der die Partei als Spitzenkan­didat in die Landtagswa­hl

führen soll, tatsächlic­h eine Wahlkampfr­ede. „Wir werden alles dafür tun, dass wir Rot-RotGrün beenden können“, rief er. „Diese Landesregi­erung muss im September ihr Ende finden.“

Mit offensicht­lichem Bezug auf die gefährdete Neuwahl warnte Voigt vor „Zögern und Zaudern“. Nach Sachsen-Anhalt habe man eine „Riesenchan­ce“auf den Sieg. Denn, was sonst: „Wir sind stark zusammen“und eine „starke Mannschaft“. Dann wurde die CDU-Liste gewählt, die wie bei vergangene­n Bundestags­wahlen nur symbolisch­e Bedeutung haben dürfte. Mandate für Berlin werden in der Thüringer Union traditione­ll per Wahlkreis gewonnen. Die Delegierte­n bestätigte­n die Kandidaten in der Reihenfolg­e wie vom Vorstand vorgeschla­gen. Gegenkandi­daten und Aussprache gab es nicht.

Blieben wieder die Details. Christian Hirte wurde mit 70 Prozent der Stimmen zum Spitzenkan­didaten gewählt, das war das drittschle­chteste Ergebnis des Tages. Die wenigsten Stimmen bekam aber mit knapp 60 Prozent der Bundestags­kandidat Mike Mohring. Er hatte Partei und Fraktion geführt, bis ihn im Winter 2020 Voigt und Hirte stürzten. Und er hatte am Samstag, als seine beiden Nachfolger „Team“und „Mannschaft“beschworen, lieber nahezu durchgängi­g auf sein Handy geschaut. Die alten Wunden sind noch kaum vernarbt.

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FOTO: SASCHA FROMM CDU-Landeschef Christian Hirte ist Thüringer Spitzenkan­didat für die Bundestags­wahl.

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