Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Das Leben ist wie Thüringen. Es geht immer bergauf, bergab“

Das Theater Rudolstadt feiert auf der Heidecksbu­rg die Premiere von „Komm ins Offene“

- Von Ulrike Kern

Rudolstadt. Ja, Corona hat Spuren hinterlass­en. Insbesonde­re an den Menschen. Und so wundert es nicht, dass die Selbsthilf­egruppe von Professor Stillerbac­h auf der Burgterras­se der Rudolstädt­er Heidecksbu­rg recht gefragt ist. Am Sonnabend war deren erfolgreic­he Premiere, doch es folgen noch elf weitere Sprechstun­den für jeweils 240 Gäste: Und es sei an dieser Stelle gesagt: Sie lohnen sich auf jeden Fall. Endlich wieder Theater und ein feingeisti­ger Blick auf diese verrückten Zeiten. Endlich eine Frischzell­enkur für die Seele.

Es gelingt dem Theater mit seinem Programm „Komm ins Offene“(künstleris­che Leitung: Steffen Mensching) das leidliche Pandemie-Thema mit viel Humor zu betrachten. Das sei bekanntlic­h die beste … , und viel zu lachen hatten wir ja in den letzten Monaten ohnehin... Zwar sei die Kuh noch nicht vom…., aber die Zeiten werden… Orakelt zumindest Professor Stillerbac­h, der an diesem Abend keinen

Satz vernünftig zu Ende bringt. Vorsichtsh­alber habe er seinen weißen Kittel angezogen, damit man auch erkenne, wer in der Runde der Therapeut ist. Er führt durch den Theaterabe­nd und durch die Therapiest­unde und ist der rote Faden, der die Geschichte­n, Lieder und Situatione­n zusammenhä­lt. Es ist großartig, wie Steffen Mensching diese Rolle ausfüllt. Und um ihn herum Verena Blankenbur­g, Jochen Ganser, Johannes Geißer, Ulrike Gronow, Anne Kies, Marcus Ostberg, Benjamin Petschke, Markus Seidenstic­ker, Matthias Winde und Thomas Voigt am Klavier. Sie alle haben ihre Zwänge und Ängste, die es aufzuarbei­ten gilt. Das Leben sei ohnehin wie Thüringen, es gehe immer bergauf, bergab.

Doch zunächst lässt das Gedicht „Die Grippe und die Menschen“aufhorchen. Über 100 Jahre beleuchtet es damals wie heute das Verhalten der Bevölkerun­g auf die von Politik und Verwaltung verordnete­n Maßnahmen. Verblüffen­d die Aktualität und Parallelen. Es folgen liebenswer­te Stücke zum In-SichHinein­horchen, zum unbändigen Drang, die „Notbremse“zu ziehen, zu Aggression­en, zu Beziehunge­n und zu der bemerkensw­erten Frage: „Was wäre, wenn wir alles lassen, was wir hassen?“

Vertrauen in die nächste „gechillte“Generation, die der „Kevins“, will dann auch noch Markus Seidenstic­ker vermitteln. Seine Nummer ist einfach großartig, ein Schenkelkl­opfer. Wenngleich die Botschaft – nämlich sich keine Sorgen um die Zukunft zu machen – nicht überzeugt, angesichts der Tatsache, dass Kevin zwar das Wort „Chirurg“nicht schreiben kann, aber der nächste sein wird, der operiert oder regiert.

Und weil Corona auch die Sprache verändert habe, erlebt das Publikum

an diesem Abend auch noch den Vortrag zur Feminisprä­ch, einer Frauenspra­che, die von „Gsielinde Geisiemeis­ie“erfunden wurde. Eine herrlich alberne Sprach-Nummer, deren Regeln Verena Blankenbur­g zu erklären versucht. Für einen besonders weichen Klang werden viele Umlaute benutzt, jedes „er“durch ein „sie“und jedes „man“durch „fräu“ersetzt. Aus Hampelmann wird so Hämpelfräu, aus Mandarine wird Fräudärine, aus Übersetztu­ng die Übsiesetzü­ng. Wundervoll!

Matthias Winde konstatier­t noch „Jetzt ist’s mir zu dumm, jetzt bring ich mich um“und begründet seinen festen Willen zum Selbstmord, während Johannes Geißer an der Gitarre abschließe­nd rät: „Nimm dir das Leben und lass es nicht mehr los. Denn du hast das eine bloß!“Ein toller Theaterabe­nd in Rudolstadt. Wieder am 18./25./26. Juni um 19.30 Uhr, 27. Juni, 18 Uhr; 09./10./16./18./23./24. Juli. um 19.30 Uhr auf der Heidecksbu­rg und am 4. Juli um 19 Uhr im Kurpark Bad Lobenstein.

 ?? Szene aus dem Stück „Komm ins Offene … Eine vergnüglic­he Theaterthe­rapie" auf der Rudolstädt­er Heidecksbu­rg mit Steffen Mensching (vorn), Benjamin Petschke, Johannes Geißer, Jochen Ganser, Marcus Ostberg und Anne Kies (hinten von links). FOTO: ANKE NEUGEB ??
Szene aus dem Stück „Komm ins Offene … Eine vergnüglic­he Theaterthe­rapie" auf der Rudolstädt­er Heidecksbu­rg mit Steffen Mensching (vorn), Benjamin Petschke, Johannes Geißer, Jochen Ganser, Marcus Ostberg und Anne Kies (hinten von links). FOTO: ANKE NEUGEB

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