Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Die Situation ist schrecklic­h“

In Mallorcas Quarantäne-Hotel liegen die Nerven blank: Deutsche Urlauber leiden unter Langeweile und schlechtem Essen

- Von Ingo Wohlfeil

Palma. So haben sie sich den Urlaub nicht vorgestell­t. Tag für Tag, Nacht für Nacht verbringen sie in einem schmucklos­en Hotelzimme­r. Nach draußen dürfen sie nicht. „Das ist wie im Knast“, schimpft Galena

(54), eine Verkäuferi­n aus Stuttgart. Vor allem die Verpflegun­g findet sie „widerlich“: „Von dem Essen hier werde ich krank.“

Aber sie hat nun mal keine Wahl. Denn das Hotel Palma Bellver ist keine gewöhnlich­e Unterkunft: Seit dem 1. Juni ist das Viersterne­hotel mit 384 Zimmern an der Hafenprome­nade in Palma de Mallorca das offizielle Corona-Hotel der Insel. Wer sich im Urlaub mit Sars-CoV-2 infiziert, wird dort untergebra­cht, wenn man sich nicht anderweiti­g zu helfen weiß. Derzeit wohnen

17 Deutsche in dem Hotel. Vorige Woche waren es noch 29. Zwei Wochen lang dürfen sie ihre Zimmer nicht verlassen. Wie fühlt sich das an? Wir haben mit zwei Urlauberin­nen gesprochen – via Telefon, denn im Quarantäne-Hotel gilt: Betreten verboten.

Unter den Gästen, die von der Rezeptioni­stin „Patienten“genannt werden, befindet sich Annika (29). Die Industriek­auffrau kommt aus Düsseldorf und wohnt im Hotel mit ihrer dreijährig­en Tochter. Annika

war mit Mann, Eltern und ihren beiden Kindern für eine Woche in Cala de Muro. Dann, kurz vor der Abreise, fiel ihr Corona-Test positiv aus.

„Zuerst wurden wir mit der Ambulanz ins alte Corona-Hotel gebracht“, erzählt sie. „Das war ein Messehotel ohne Balkone, und die Fenster konnte man nur auf Kipp stellen. Wie im Gefängnis. Jetzt haben wir einen Balkon mit tollem Ausblick auf die Kathedrale und den Hafen.“

Im direkten Vergleich mit dem früheren Quarantäne-Hotel kommt ihr das Palma Bellver etwas weniger eintönig vor. „Nach zehn Tagen wird das Zugucken beim Beschneide­n von Palmen zum absoluten Highlight.“Morgens schlafen Annika und ihre Tochter so lange, wie sie können, damit der Tag schneller vergeht. Dann schlagen sie die Zeit tot: „Ich habe unser Planschbec­ken auf dem Balkon aufgebaut, und wir baden zweimal am Tag. Außerdem kennt meine Tochter jetzt alle Handy-Funktionen.“Das Schlimmste sei für sie das Essen. „Morgens gibt es Kekse, Milch und Kaffee. Die Kekse sammeln wir mittlerwei­le, aber wir essen sie nicht mehr. Zum Mittag und Abend werden Hühnchensc­henkel serviert oder etwas vollkommen Undefinier­bares. Das Essen wird übrigens vom Krankenhau­s angeliefer­t.“

Der Enkel (5) versteht nicht, warum er eingesperr­t wird

Auch Galena, die Verkäuferi­n aus Stuttgart, kann das Essen nicht mehr sehen. Sie habe „nicht einmal einen Wasserkoch­er für Tee. Ich empfinde die Situation als absolut schrecklic­h.“Galena war mit ihrer Tochter, deren Mann und den beiden Enkeln in Cala Millor. Ein Fehler, wie sie heute weiß. „Ehrlich, so etwas mache ich nie wieder. Ich werde nie wieder mit dem Flugzeug verreisen, wenn es eine Pandemie gibt. Es war nicht klug, in so einer Situation in ein anderes Land zu fliegen. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Test dein Leben so dermaßen verändern kann.“Am schlimmste­n sei die Situation für ihren fünfjährig­en Enkel, der mit ihr in Quarantäne ist. „Wir haben leider kein Spielzeug, und er wird zunehmend aggressive­r, weil er nicht versteht, weshalb er eingesperr­t ist.“

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F.: WOHLFEIL In diesem Hotel werden infizierte Urlauber abgeschott­et.

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