Thüringische Landeszeitung (Jena)
Nachgehakt Nach einer lautstarken Partynacht mit 2000 Personen und Flaschenwürfen wurden die Kontrollen auf der Rasenmühleninsel verschärft. Stadt fordert Unterstützung aus Erfurt
Jena. Der Weg zur Rasenmühleninsel führte am Samstagabend nur an uniformierten Kontrollposten vorbei. Beamte der Jenaer Polizei und des Ordnungsdienstes der Stadt hatten ein Auge auf alle Gruppen, besonders wenn sie größere Lautsprecherboxen bei sich trugen. Eine der Reaktionen auf den Abend zuvor.
Geschätzt 2000 überwiegend junge Leute hatten in der Nacht zum Samstag im Paradies gefeiert. Paradiesisch war das für Anwohner nicht. Die Bässe aus transportablen Lautsprecherboxen dröhnten weit hinaus über den Hausberg in weitere Viertel. Polizisten und Mitarbeiter des Ordnungsdienstes rückten an und fanden eine aufgeheizte Stimmung vor. Das Resümee: Rangeleien, Körperverletzungen, Drogenkonsum, mehrere Flaschenwürfe, darunter auch gegen einen Ordnungsdienst-Mitarbeiter, der am Bein verletzt wurde. Zwei Einsatzfahrzeuge wurden beschädigt.
Die Stadt Jena veranlasste das am Samstagnachmittag zu einer deutlichen Mitteilung: „Der Paradiespark ist kein rechtsfreier Raum. Bei allem Verständnis gegenüber einer sommerlichen Feierlaune werden Störungen der Nachtruhe oder gar Angriffe gegen Personen nicht toleriert.“Als Reaktion setzte man auf die konzertierte Kontrolle am Samstagabend, zu der auch Kräfte der Bereitschaftspolizei aus Erfurt gerufen wurden.
Gastronomin fürchtet um ihr Restaurant
Sandra Albold sitzt am Samstagabend gegen 22 Uhr vor dem Salü, ihrem Restaurant an der Saale, und blickt auf die Rasenmühleninsel.
Am Samstagabend kontrollierten Polizisten die Zugänge zur Rasenmühleninsel, nachdem am Freitag gut 2000 Jugendliche dort lautstark gefeiert hatten und auch Flaschen geflogen waren.
Hunderte junge Leute treffen sich, reden und spielen, manche tanzen zu Musik, die aus vereinzelten Boxen klingt. In dieser Lautstärke ist das kein Problem, sagt Albold. Auch die Stimmung sei im Vergleich zum Vorabend entspannt.
Am Freitagabend verließen Gäste ihr Lokal früher, weil es viel zu laut war. Ab einem gewissen Zeitpunkt kam Angst hinzu. Angst, dass ihre Mitarbeiter beleidigt werden und etwas zu Bruch geht. Die Stimmung einiger Partygäste auf der Rasenmühleninsel sei aggressiv gewesen. „Wir haben bis 2 Uhr gewartet, weil wir das Café nicht alleine lassen wollten“, sagt Albold. Trotzdem fanden sie am nächsten Morgen zerbrochene Blumentöpfe vor. „Und was folgt als nächstes?“
Albold sucht Hilfe bei der Stadt, denn es muss sich etwas ändern. Sie hat Angst, dass Gäste fernbleiben. Auch das anliegende Hotel sorge sich. „Junge Leute brauchen einen Ort, aber das überschreitet Grenzen“, sagt die Gastronomin. Zumal es nicht überraschend kommt. Zuletzt kam es gehäuft zu größeren und teils lautstarken Zusammenkünften junger Leute. Auf der Wiese und selbst im Sand des Spielplatzes blieben Glasscherben nach durchzechten Nächten.
Koppe: Polizei ist für diese Großlage zuständig
Für Ordnungsdezernent Benjamin Koppe (CDU) war die Lage nach den Situationen der vergangenen Wochen vorhersehbar. „Wir haben die Polizei mehrmals darauf hingewiesen“, sagt er. Doch bislang folgten nur partielle Kontrollen der Beamten, obwohl es für ihn eine „klassische Großlage ist, bei der die Polizei vorgehen muss“.
Mit der konzertierten Kontrollaktion am Samstagabend sei es nicht vorbei. „Das muss es auch für die nächsten Tage und Wochen geben.“Koppe sieht das Thüringer Innenministerium gefordert, in dessen Zuständigkeit die Polizei liegt. „Sie müssen ein Auge darauf haben und
Kommunen wie uns helfen.“Der städtische Ordnungsdienst könne das nicht allein stemmen. Die Stadt habe formell einen Antrag auf Amtshilfe gestellt.
Die erste gemeinsame Intervention mit der Polizei glückte offenbar. Ausgelassen, fröhlich und friedlich fasst Sebastian Wick, Leiter der Kommunalen Ordnung in Jena, den Samstagabend zusammen. Er war mit vier Kollegen vor Ort, zwölf Mitarbeiter umfasst der Außendienst des Zentralen Ermittlungs- und Vollzugsdienstes (ZEVD) insgesamt. Fünf Lautsprecher, teils größer als ein Meter, wurden aus Gründen der Gefahrenabwehr konfisziert, „sie können spätestens am Montag abgeholt werden“. Offenbar entwickle sich das Paradies zum Treffpunkt von Jugendlichen aus der Region. Das stellten er als auch Koppe bei Gesprächen mit den Jugendlichen fest. „Das kann so nicht bleiben“, sagt Koppe.
Jena plant Testveranstaltungen draußen
Die Stadt stehe nun vor einem Balanceakt. Denn klar, „junge Leute wünschen sich Angebote wie vor Corona“, sagt Koppe. Das Dezernat für Stadtentwicklung prüfe, inwiefern Veranstaltungen draußen zugelassen werden können, ohne die Belange des Lärmschutzes für Anwohner zu verletzen. Vergangene Woche kündigte Dezernatsleiter Christian Gerlitz (SPD) an, dass über eine Arbeitsgruppe Theaterstücke, kleinere Konzerte oder größere Open-Air-Events geprüft werden. „Ziel ist es, bereits im Frühsommer passende Orte für mögliche Events ausweisen zu können und die Umsetzung anschließend bei Testveranstaltungen zu erproben“, heißt es aus dem Dezernat. Meinung