Thüringische Landeszeitung (Jena)
Eine Partei, zwei Lager
Die Thüringer Liberalen halten zu ihrem Landesvorsitzenden. Aller Kritik an seiner Wahl zum Ministerpräsidenten zum Trotz – die Wiederwahl mit mehr als 70 Prozent zum Parteichef zeigt auch, dass der 5. Februar 2020 in der Partei deutliche Spuren hinterlassen hat.
Nachdem die rechtsextreme AfD erstmals mit für die Wahl eines Regierungschefs in einem deutschen Parlament sorgte, war klar: Hier sind CDU und FDP den Bund mit dem Rechtsextremismus eingegangen. Was stimmt: Eine in weiten Teilen rechtsextreme AfD hat dafür gesorgt, dass ein Liberaler Ministerpräsident geworden ist. Der hat es geschehen lassen und damit eine Regierungskrise ausgelöst. Warum? Er selbst wollte diesen Deutungen keine weitere hinzufügen und kam damit durch. Er wollte vielleicht auch einfach nicht dokumentiert sehen, dass er das hätte vorausahnen können – auch wenn es die unwahrscheinlichste aller Varianten gewesen ist. Und Kemmerich weiß: Es gibt in der Thüringer Bevölkerung auch viele Menschen, die bis heute nicht nachvollziehen können, warum aus dieser Wahl ein Skandal geworden ist.
Nach dem Parteitag ist Kemmerich jetzt gestärkt. Auch eine Spitzenkandidatur bei einer möglichen Landtagswahl scheint nicht mehr ausgeschlossen. Je länger es dauert, bis das Parlament gewählt wird, umso wahrscheinlicher wird auch dieses Szenario.
Allerdings: Die Liberalen, die in den Umfragen gut dastehen, werden schauen müssen, wie sie wirklich zur Einigkeit zurückfinden. Das Lager gegen Kemmerich steht, und die Partei ist nach wie vor zerrissen. Das haben die Wahlen beim Parteitag mit ihren Ergebnissen deutlich dokumentiert.