Thüringische Landeszeitung (Jena)

Spahn: Ende der Maskenpfli­cht

Corona-Inzidenz sinkt weiter. Minister Spahn will erst draußen die Regel kippen – und bei niedrigen Inzidenzen auch drinnen. SPD-Gesundheit­sexperte Lauterbach warnt

- Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat sich für ein Ende der Maskenpfli­cht ausgesproc­hen. Er sagte: „Bei den fallenden Inzidenzen sollten wir gestuft vorgehen: in einem ersten Schritt kann die Maskenpfli­cht draußen entfallen.“Thüringens Gesundheit

„Ein kompletter Verzicht auf die Maskenpfli­cht kurz vor der Impfung von Millionen ist nur eines: Wahlkampf mit der Gesundheit der Bürger.“ Karl Lauterbach, SPD-Gesundheit­sexperte

Dänemark geht bei den Lockerunge­n in der Corona-Pandemie voran. Ab diesem Montag ist die Pflicht zum Tragen einer Maske für fast alle Bereiche des öffentlich­en Lebens aufgehoben. Einzige Ausnahme bleibt der öffentlich­e Nahverkehr – aber auch nur, wenn man nicht sitzt.

Es sind die aktuell niedrigen Corona-Fallzahlen, die eine Debatte über ein Ende der Maskenpfli­cht auch in Deutschlan­d befeuern. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) und Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) fordern die Länder auf, die Verhältnis­mäßigkeit der Maßnahme zu überprüfen. „Bei den fallenden Inzidenzen sollten wir gestuft vorgehen: In einem ersten Schritt kann die Maskenpfli­cht draußen entfallen“, sagte Spahn unserer Redaktion. „In Regionen mit sehr niedriger Inzidenz und einer hohen Impfquote nach und nach auch drinnen.“Das Maskentrag­en sei aber auch ohne Pflicht weiter ratsam, so Spahn, etwa bei Reisen oder Treffen in Innenräume­n. Mehr Sicherheit gebe es nur, wenn alle Anwesenden geimpft oder regelmäßig getestet seien.

Lambrecht hob in der „Bild am Sonntag“hervor: „Die Verantwort­lichen in den Ländern müssen laufend genau prüfen, ob und wo eine Maskenpfli­cht noch verhältnis­mäßig ist, wenn die Inzidenzza­hlen niedrig sind und weiter sinken.“Dies gelte auch für die Schulen, da Schüler „von der Maskenpfli­cht besonders betroffen“seien.

Die bundesweit­e Sieben-Tage-Inzidenz ist inzwischen auf 17,3 Fälle pro 100.000 Einwohner gesunken. Wie das Robert-Koch-Institut am

Sonntagmor­gen meldete, wurden innerhalb eines Tages 1489 Neuinfekti­onen sowie 18 Todesfälle in Verbindung mit dem Virus registrier­t. Vor einer Woche wurden noch 2440 Neuansteck­ungen und 74 Tote innerhalb von 24 Stunden verzeichne­t.

Bundestags­vizepräsid­ent Kubicki (FDP) sagte, bei strenger Auslegung des Infektions­schutzgese­tzes müsse die allgemeine Maskenpfli­cht aufgehoben werden, erst recht draußen. Bei einer klaren Inzidenz unter 35 dürfe der Staat „gar keine Grundrecht­e pauschal für alle Bürger einschränk­en“.

Und sogar der Verfechter strikter Schutzmaßn­ahmen in der Pandemie, SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach, sieht Spielraum für Lockerunge­n. „Was wir ja gelernt haben in den letzten Monaten, ist, dass die Übertragun­g des Virus im Wesentlich­en in den Innenräume­n stattfinde­t“, sagte Lauterbach der „Saarbrücke­r Zeitung“. Mit Blick auf die Spiele der Fußballeur­opameister­schaft betonte Lauterbach: „Vor den Restaurant­s und Kneipen ist das gemeinsame Schauen der

Spiele möglich.“Die Maskenpfli­cht sei dann auch nicht unbedingt notwendig. „Aber es müssen die Abstände eingehalte­n werden.“

Im Nahverkehr in NRW sind FFP2-Masken keine Pflicht mehr

Einige Kommunen preschen beim Ende der Maskenpfli­cht bereits vor. Im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen gilt seit Samstag keine Pflicht mehr zum Tragen einer FFP2-Maske. Es reicht nun eine sogenannte OP-Maske. Auch der Landkreis Bautzen lockert bei einer Inzidenz unter 35. Noch zu Beginn des Jahres war die Region in Sachsen ein Hotspot der Pandemie, Inzidenzen kletterten dort teilweise auf über

500 Infektione­n pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Nun aber

ist auch dort die Infektions­lage deutlich entspannt. So werden unter anderem die Maskenpfli­cht in Kitas und Schulen sowie die Testpflich­t für Geschäfte und Kultureinr­ichtungen aufgehoben oder Feiern mit bis zu 50 Personen erlaubt.

Doch nicht alle halten diesen Schritt zu einem Wegfall der Maskenpfli­cht für richtig. Thüringens Gesundheit­sministeri­n Heike Werner (Linke) warnt vor vorschnell­en Reaktionen. Es wäre falsch, „jetzt schon sämtliche Schutzmaßn­ahmen über Bord zu werfen, bevor alle, die das möchten, den vollständi­gen Impfschutz erhalten haben“, erklärte Werner.

Auch SPD-Gesundheit­sexperte Lauterbach sieht ein generelles Ende der Maskenpfli­cht kritisch. „Für ganz Deutschlan­d, bei jeder Gelegenhei­t, überall – das geht selbstvers­tändlich nicht.“Lauterbach übte direkte Kritik an dem Vorstoß von FDP-Mann Kubicki: „Ein kompletter Verzicht auf die Maskenpfli­cht kurz vor der Impfung von Millionen ist nur eines: Wahlkampf mit der Gesundheit der Bürger.“

In diesen Tagen startet die Fußball-EM, die Temperatur­en steigen. Das dürfte mehr Menschen zum beliebten Public Viewing locken. Bisher ist das meist nur unter klaren Regeln möglich – und im kleinen Rahmen der Außengastr­onomie. Welche Folgen eine Lockerung der Maskenpfli­cht auch bei größeren Veranstalt­ungen haben kann, zeigt eine Studie. Laut Wissenscha­ftlern haben Fußballspi­ele in der Bundesliga mit Zuschauern im Stadion zu nachweisli­ch höheren Infektions­zahlen geführt. Nach den ersten beiden Spieltagen der Saison im September und Oktober 2020 seien die Ansteckung­szahlen statistisc­h signifikan­t angestiege­n, zitiert die „Rheinische Post“aus einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaft­sforschung.

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FOTO: GETTY IMAGES Maske ab – Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) fordert von den Ländern, die Verhältnis­mäßigkeit der Maskenpfli­cht zu überprüfen.
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FOTO: DPA Auch Justizmini­sterin Lambrecht (SPD) appelliert an die Länder. Sie müssten laufend genau prüfen, ob das Masketrage­n verhältnis­mäßig sei.

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