Thüringische Landeszeitung (Jena)
FDP und CDU sind für Bundestagswahl aufgestellt
Liberale wählen Kemmerich-Vertraute. Union nominiert erstmals Hirte für Spitzenposition
CDU und FDP haben sich in Thüringen für die Bundestagswahl aufgestellt. Bei der FDP schwelt allerdings noch das Damoklesschwert einer möglichen Anfechtung über der Listenaufstellung. Dennoch geht Parteichef Thomas Kemmerich gestärkt aus der Veranstaltung
hervor – denn 71 Prozent der Delegierten votierten für den Mann, der im vergangenen Jahr mit Stimmen von CDU, FDP und der im Fokus des Verfassungsschutz stehenden AfD gewählt wurde.
Auch die Wahl zur Bundestagsliste wurde zum Triumph für den Parteichef.
Mit Gerald Ullrich, Reginald Hanke und Tim Wagner finden sich Kemmerich-Vertraute vorn.
Die Bundestagsliste der CDU wird vom Thüringer Parteichef Christian Hirte angeführt, der erstmals Spitzenkandidat ist. Dafür rückt Manfred Grund auf Platz vier.
Antje Tillmann auf Platz zwei und der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Volkmar Vogel, komplettieren die Spitzenposten. Mike Mohring, Ex-Parteiund Landtagsfraktionschef, wurde auf Platz sechs nominiert.
Erfurt. Thomas L. Kemmerich steht am Sonntag hinten im Saal der Erfurter Arena. Er lächelt. Auf der großen Tafel leuchtet ein Ergebnis, das ihn zufriedenstellt: Gerald Ullrich wurde gerade von 137 Delegierten mit einem deutlichen Auftrag auf den Spitzenplatz der Thüringer FDP für die Bundestagswahl gehievt.
Für Kemmerich ist das ein weiterer parteiinterner Erfolg an diesem Wochenende. Er selbst hatte sich ans Pult gestellt und Ullrich vorgeschlagen mit dem er 2017 in den Bundestag eingezogen war. Der 56jährige Landtagsfraktionschef kämpft am gesamten Wochenende um seine politische Zukunft in der Thüringer FDP. Denn erstmals seit der Ministerpräsidentenwahl im Februar 2020 kommt die Partei zusammen und wertet aus, was damals geschehen ist. Seither geht ein Riss durch die Partei, der auch am Wochenende wieder deutlich spürbar wird.
Ex-Generalsekretär
Patrick Kurth hat keine Chance
Die Stimmen sind insbesondere in der Aussprache vielfältig. 19 Parteimitglieder melden sich zu Wort. Die Angriffe auf den Parteichef Kemmerich werden deutlicher, je länger die Debatte dauert. Kemmerich hatte zuvor erklärt, dass er den vielen Deutungen des 5. Februar 2020 nicht noch eine weitere hinzufügen wolle und damit seine Linie, die er in der Öffentlichkeit seit Monaten verfolgt, beibehalten.
Am 5. Februar war er mit Stimmen von CDU, FDP und der in weiten Teilen rechtsextremen AfD zum Regierungschef gewählt worden. Kurz danach kündigte er seinen Rücktritt an. „Wer mit der Vergangenheit nicht umgehen kann, der kommt auch nicht voran und sieht nicht, was hinter ihm passiert“, sagt die Delegierte Dorothee von Hoff an Kemmerich gerichtet. „Sich mit den Stimmen der AfD wählen zu lassen, obwohl man vorher sagt, man macht mit der AfD nichts, aber auch gar nichts, das ist ein Akt der Unglaubwürdigkeit“, attackiert der Delegierte Thomas Vollmer.
Aber es gibt auch Zuspruch. Alexis Taeger, der Jenaer FDP-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, erklärt mit Blick auf die Ministerpräsidentenwahl. „Daraus jetzt eine Legende zu bilden, hier wäre irgendwie ein Plan gewesen, mit der AfD zusammen zu arbeiten, das ist doch Unsinn.“Matthias Fallenstein aus dem Wartburgkreis sagt: „Wir haben ein Team um Thomas Kemmerich. Geliebt und gehasst. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn.“Er unterstütze Kemmerich.
Im Wahlergebnis zeigt sich die Zerrissenheit, die die Ministerpräsidentenwahl ausgelöst hat – aber Kemmerich hat weiterhin eine Mehrheit hinter sich. 102 Delegierte wählen ihn erneut zu ihrem Vorsitzenden. Auf den Gegenkandidaten Hagen Hultzsch, der in Weimar Kreisvorsitzender ist und sein Antreten früh mit der KemmerichWahl durch AfD-Stimmen begründete, entfallen nur 37 Stimmen.
Das Ergebnis steht erst am Sonntagmorgen fest. Denn erst nach der Auszählung fällt auf, dass deutlich weniger Stimmen abgegeben wurden, als Delegierte registriert waren. Eine Nachzählung ergibt dann, dass 30 Stimmzettel offenbar am Samstag nicht gewertet worden sind. Das Ergebnis ändert sich dadurch nicht, lediglich die Wiederwahl Kemmerichs zum Landeschef wird deutlicher dokumentiert.
Er selbst vermeidet es tunlichst, sich beim Parteitag festzulegen. Nichts weiter zum 5. Februar zu sagen, damit lassen ihn die Delegierten gerade noch durchkommen. Mit Blick auf die Spitzenkandidatur wird er aber härter bedrängt. Die Delegierte Dorothee von Hoff will wissen, ob er eine Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl ausschließt – immerhin hatte die Bundespartei der Thüringer FDP die Unterstützung versagt für den Fall, dass sie wieder mit Kemmerich antrete. Der schließt eine Spitzenkandidatur nicht aus, erklärt, dass er seine Entscheidung dem Wohl der FDP Thüringen unterordnen und in einem Team antreten werde für den nächsten Landtag. Das kann eben auch bedeuten, dass er Spitzenkandidat wird.
Seine Position in der Partei ist nach diesem Wochenende deutlich gestärkt. Kemmerich hat seinen engsten Kreis um sich geschart, der Landesvorstand wird von Vertrauten dominiert. Dass dann auch bei der Bundestagsliste seine Favoriten auf den vorderen Plätzen stehen, rundet das Wochenende für den FDP-Chef ab. Denn Gerald Ullrich hatte Gegner – unter anderem den Ex-Generalsekretär Patrick Kurth, der aber kaum Zuspruch erhält. Auch der junge, aufstrebende Liberale Jan Siegemund fällt bei den Landesvertretern bei der Bewerbung um den Spitzenplatz durch. Dieses Szenario wiederholt sich am Sonntag noch zwei weitere Male. Auf den Listenplätzen zwei und drei finden sich Reginald Hanke, der für Kemmerich 2019 in den Bundestag nachrückte, und Tim Wagner. Zwei weitere Kemmerich-Vertraute, die sich jeweils gegen Kurth und Siegemund durchgesetzt haben.