Thüringische Landeszeitung (Jena)
Buchenwald, echt und in 3D
Es war im Sommer 1975. Nach der elften Klasse fuhren wir zu fünft über den Rügendamm, um die Insel zu umwandern. Wir starteten in Zudar und landeten nach zwölf Tagen in Altefähr, wobei wir dem Küstenverlauf folgten. Wegen Sperrgebieten und Unwegsamkeiten waren es am Ende nur 250 Kilometer, aber mit Gepäck. Einer schleppte das Zelt, die anderen hatten die Verpflegung, ich den Campingkocher im Rucksack. Hatten wir bei dieser Strapaze und ständiger Ausschau nach Mädchen überhaupt ein Auge für die Schönheiten der Insel?
Ich erinnere mich, wie wir hinter Sassnitz an der Steilküste im Buchenwald übernachteten. Wir genossen den Sonnenaufgang und den Blick auf die Kreidefelsen. Da war nur ein Drehkreuz und keine Menschenseele weit und breit.
Nach 47 Jahren bin ich wieder dort und werde von einer Schranke gestoppt. Der Königsstuhl gehört jetzt wie der Thüringer Hainich zum Unesco-Welterbe Alte Buchenwälder und kostet 10 Euro Eintritt. Besuchen Sie unbedingt auch unsere Ausstellung, ruft mir der Nationalpark-Ranger nach.
Der Ausblick ist noch immer überwältigend, auch wenn seither viel Kreide in die Ostsee gebröckelt ist. Für die Ausstellung im Naturerbe-Zentrum bekommt man einen Guide in die Hand und fährt nach ausgiebiger Technikprobe per Fahrstuhl ins multimediale Kreidemeer hinab. Die spielerische Zeitreise ist etwas für Kinder. Erwachsenen empfehle ich Holger Teschkes tollen Rügenband „Inselzeiten“. Da nur zweidimensional, kann das Buch mit dem Highlight der Multispektakelschau natürlich nicht mithalten: Etwa in der Mitte des Rundgangs steht man ratlos vor einer verschwommenen Darstellung. Wenn Sie die 3D-Brille aufsetzen, flüstert der elektronische Erbegeist, sehen Sie einen Buchenwald – dreidimensional!
Das ist besonders aufregend für jene Besucher, die mit dem Bus angekarrt werden, ohne die echten Buchen überhaupt zu bemerken.