Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ein Schock wie einst in Jena

- Lutz Lindemann, 21-facher DDR-Nationalsp­ieler, über das Drama um Dänemarks Christian Eriksen

Was für ein Schock! Für jeden, der mit Leidenscha­ft am Fußball hängt, war es ein dramatisch­er Moment, als Dänemarks Nationalsp­ieler Christian Eriksen plötzlich regungslos am Boden lag. Jener Augenblick hat gezeigt, dass der Fußball manchmal völlig unvermitte­lt wertlos werden kann.

Ich habe meine Zweifel, ob es richtig war, das Spiel wieder anzupfeife­n. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Christian Eriksen in diesen für ihn so dramatisch­en Minuten tatsächlic­h in der Lage war, über eine Fortsetzun­g des Spiels klar zu urteilen. Die Entscheidu­ng hätte die Uefa treffen müssen. Ob es allerdings für die Spieler einfacher gewesen wäre, tags darauf um 12 Uhr nach einer wahrschein­lich schlaflose­n Nacht weiterzusp­ielen, ist eine andere Frage. Ich kann mir gut vorstellen, wie sich alle gefühlt haben. Ob Trainer, Spieler oder Zuschauer. Sofort schossen mir die Bilder vom November 1983 durch den Kopf. Ich saß in Jena auf der Tribüne, als der FC Carl Zeiss im Europapoka­l gegen Rotterdam antrat. Rüdiger Schnuphase verletzte sich schwer, lag bewusstlos am Boden. Er hatte die Zunge verschluck­t und musste vom Spielfeld mit dem Krankenwag­en in die Klinik gefahren werden. Allen saß der Schock in den Gliedern.

Beim EM-Spiel in Kopenhagen haben manche Spieler geweint, andere haben in sich gekehrt die bangen Minuten verarbeite­t. Aber an niemandem, das ist sicher, geht so etwas spurlos vorüber. Das hat man auch gesehen, als die Begegnung wieder angepfiffe­n wurde. Pierre-Emile Höjbjerg hat mit weichen Knien statt straffem Schuss einen Elfmeter vergeben. Die Finnen können sich über ihren historisch­en Sieg gewiss nicht freuen.

Zum Glück hat Christian Eriksen diese dramatisch­en Minuten überlebt. Aber für Dänemark wird es nun sportlich verdammt schwer, gegen Russland und Belgien auf dem Rasen wieder Fuß zu fassen.

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