Thüringische Landeszeitung (Jena)
Schwergewichtsboxer Jürgen Fanghänel ist 70, erinnert sich an München 1972, seine erste internationale Medaille und Jahre im Westen
Gera/Limbach-Oberfrohna. Das Wismut-Pokalturnier in Gera lässt er sich nicht entgehen, sitzt am Ring, geht mit, wenn die Nachwuchsboxer ihr Können zeigen, übernimmt Siegerehrungen.
Mit einem Schlag, ist sie wieder da, die gute alte Zeit bei der SG Wismut. Ulli Kaden, Enrico Richter, Roby Meyer und Jens Demmler stehen als Wismut-Trainer am Ring. „Es ist gut, dass es mit dem Boxen in Gera weitergeht“, sagt er und schiebt mit einem Schmunzeln nach: „Die Jungs machen das gut.“
Am Sonntag ist der frühere Schwergewichtsboxer 70 geworden, lebt wieder da, wo für ihn alles begann. In Limbach-Oberfrohna ist er geboren, im nahen Rußdorf aufgewachsen. Eigentlich stand ihm nicht der Sinn nach Sport. „Ich war ausgelastet, meine Tage lang.“Die Eltern hatten ein baufälliges Gehöft gekauft und die neun Kinder mussten ran. „Das war mein Athletiktraining, da musste ich später nicht viel aufholen.“Relativ spät, erst mit 19, ging er zum SC Karl-Marx-Stadt. Trainer Bernhard Zeh baute den 1,87 Meter großen jungen Mann zum Schwergewichtler auf.
Jürgen Fanghänel gefiel mit seiner eleganten, technisch sauberen Art, zu boxen. Viele Kämpfe gewann er vorzeitig, seine Körpertreffer zeigten Wirkung. DDR-Spitze war Fanghänel rasch, den ersten seiner insgesamt acht Meistergürtel erkämpfte er 1972 und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in München, stand im Viertelfinale. München war befremdlich, sagt er: „Man traf sich, sprach die gleiche Sprache, doch das Miteinander war nicht erwünscht. Eine Situation, die heute keiner mehr versteht.“
1973 wechselten die Boxer von Karl-Marx-Stadt zur SG Wismut Gera. Die Bedingungen waren gut, keine Frage, doch es mangelte an Trainingspartnern. „Wir sind rumgefahren, um zu trainieren“, erinnert er sich. In der DDR war Fanghänel über Jahre hinweg nicht zu schlagen. Auch bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal war er im Ring. Ein Jahr später erkämpfte er mit EM-Silber seine erste internationale Medaille. Im Finale unterlag er Jewgeni Gorstkow, später standen Wiktor Uljanitsch, Alexander Jagubkin oder Pjotr Sajew einem Titelgewinn im Weg. „Die Russen waren schon stark und hatten, anders als ich, die richtigen Sparringspartner in dem großen Land.“
Doch er gab nicht auf, wurde belohnt. Olympiabronze 1980 in Moskau bewertet er als seinen schönsten Erfolg. „Viel gesehen von Moskau haben wir zwar nicht, aber das war nicht so schlimm. Der Empfang in Gera dafür umso schöner.“
Nach WM-Silber 1982 hörte Fanghänel auf und arbeitete als Trainer bei der SG Wismut Gera. Trainer-Ausbildung, Sozialpädagogik,
Menschenführung: für ihn keine bloßen Schlagwörter, er wollte weitergeben, was ihn erfolgreich gemacht hatte.
Mit der Wende brach schlagartig alles zusammen. Die SG Wismut Gera war Geschichte. Er ging erst zum Arbeitsamt, dann in den Westen. Im Jugendheim Grimberg arbeitete er bis Ende 2015 als Erzieher, meist in der Nachtschicht, hatte es mit Halbwüchsigen zu tun. Meist Problemfälle, die kaum Respekt kennen – wahrlich kein leichter Job. Doch er hat sich durchgeboxt. Nach seinem Berufsleben kehrte er nach Limbach-Oberfrohna zurück, hält sich mit Radfahren und Gartenarbeit fit – und wenn in Gera was los ist, dann ist er da.
Box-Olympiadritter Jürgen Fanghänel ist 70.