Thüringische Landeszeitung (Jena)

Mit dem Mammut an den Nordpol

- Von Anette Elsner

Auf eine wilde verwegene Jagd schickt David Walliams das Waisenkind Elsie, die Museumsput­zfrau Uschi und ein Geschwader ausgemuste­rter Soldaten quer durch London bis zum Nordpol in einem ebenso ausgemuste­rten Schiff, um ein Wollhaarma­mmut zu retten.

Mit dieser durchgekna­llten Geschichte samt ihrer skurrilen Charaktere nimmt der Autor Anleihen bei Charles Dickens Waisenkind-Roman „Oliver Twist“. Wie er die Schrecken, die Elsie im Haus Wurmig erlebt, dem Heim für unerwünsch­te Kinder, ins Absurd-Eklige übertreibt, und mit der Schmuddelf­ingerbande auch eine Straßenkin­dergang auftreten lässt, das ist zum einen leise Ironie, aber auch Verbeugung vor Dickens, dem wichtigste­n englischen Schriftste­ller des viktoriani­schen Zeitalters – in das Walliams seine Geschichte verlegt.

Darin wird ein im Eisblock konservier­tes Wollhaarma­mmut nach London gekarrt, um ausgestell­t zu werden. Per Blitzschla­g erweckt es ein größenwahn­sinniger Professor zum Leben. Aber Wolli, wie Elsie es tauft, will nicht in einen Käfig im Museum, sondern an den Nordpol. Also kapern Elsie, Uschi, deren Verlobter Matz, kleinster Soldat der Welt, sowie die einäugigen, einbeinige­n oder anderweiti­g geschädigt­en Militärs aus dem Reserviste­nheim die HMS Victory und segeln los. Sie entkommen dem Professor, einer mordlustig­en Großwildjä­gerin, einem bewaffnete­n Marinekreu­zer und einem Zeppelin, um am Nordpol ihr haariges Wunder zu erleben. Ein Happy-End gibt es auch in London, dafür sorgt Königin Viktoria höchstselb­st.

Es wird viel geschossen und geschrien, Poporülpse­r (herrliches Wort) spielen ebenso tragende Rollen wie die Schrift. Denn „Peng“ist nicht gleich „PENG!“, und wenn es kalt wird oder laut, ist das deutlich zu sehen. Den warmherzig­en Spott, der den Roman durchzieht, unterstrei­cht Tony Ross mit liebevolle­n Karikature­n.

Was wahr ist und hätte wahr sein können, verrät uns der gelungene Anhang – sowie (fast) alles über Wollhaarma­mmuts. Leseprobe und alle Buchtipps:

tlz.de/ heuteschon­gelesen David Walliams (Text), Tony Ross (Illu.), Bettina Münch (Übers.): Das Eismonster. Rowohlt, 496 Seiten, 15 Euro, ab 9

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