Thüringische Landeszeitung (Jena)
Als man nüscht hatte
Sonderausstellung im Freilichtmuseum Hohenfelden widmet sich Selbstgemachtem
Hohenfelden. Das kurioseste Exponat hat sie selbst beigesteuert: eine motorisierte Schubkarre, bestehend aus einer handelsüblichen Schubkarre und dem daran befestigten Motor eines Simson-Kleinrollers KR 50. Stephanie Kulas Onkel hat das eigenwillige Transportgerät in den 80er-Jahren geschaffen, um sich beim Bau eines Bungalows in Hanglage die Arbeit zu erleichtern. Einer echten Notlage ist das Gefährt zwar – anders als viele andere Objekte in der neuen Sonderausstellung des Thüringer Freilichtmuseums Hohenfelden – nicht entsprungen, aber dem durchaus legitimen Gedanken, für Entlastung zu sorgen.
Schließlich sind nicht wenige Erfindungen getreu dem Motto „Faulheit denkt scharf“der harten Arbeit an der Vermeidung weiterer harter Arbeit zu verdanken. Schon allein dieses Ausstellungsstück belegt: Das Thema „Flicken, Basteln, Wiederverwenden – Selbstgemachtes als Notbehelf im Alltag“, das Stephanie Kula als Museumsvolontärin mit der neuen Schau im alten Pfarrhaus beleuchtet hat, hat viele Facetten.
Wolle, Stoff und Holz sind kostbare Rohstoffe gewesen „Jahrhundertelang wäre es vor allem der ärmeren Landbevölkerung nicht eingefallen, Dinge wegzuwerfen oder zu verfeuern“, sagt die Kuratorin. Wolle, Stoff, Holz – all das seien kostbare Rohstoffe gewesen, die so lange verwendet wurden, bis es wirklich nicht mehr ging. Ein Schränkchen etwa wurde von Generation zu Generation weitervererbt, immer wieder umgenutzt und zuletzt zumindest noch im Stall verwendet. Löchrige Strümpfe wurden gestopft, Kleidungsstücke mehrfach abgeändert, geflickt und von vielen Kindern aufgetragen, defekte Scharniere an Möbeln durch Lederriemen ersetzt.
Beispiele dafür finden sich in der Ausstellung genauso wie für den Erfindungsreichtum der Menschen insbesondere in Kriegs- und Notzeiten: „Da kamen nicht nur industriell gefertigte Ersatzprodukte wie Margarine oder Brühwürfel auf den Markt, die auch heute noch produziert werden. Die Hausfrauen sind der Not gehorchend auch selbst kreativ geworden und haben zum Beispiel Kaffee aus gerösteten Bucheckern, Zichorienwurzeln oder Kastanien hergestellt“, sagt Stephanie Kula. Einen regelrechten Aufschwung hätten gerade in der
Der Großvater von Museumsmitarbeiterin Gudrun Heyder hat in den 50erJahren für seine Enkel ein Schaukelpferd gebaut.
Nachkriegszeit zudem Rezepthefte erlebt, die Anregungen für eine abwechslungsreiche Ernährung trotz Nahrungsmittelknappheit geben sollten.
Marke Eigenbau hat weiterhin Konjunktur
Gleich eine ganze Vitrine füllen zu Alltagsgegenständen umgearbeitete Militaria – darunter aus Gasmaskenfiltern hergestellte Küchensiebe, Vasen aus Granathülsen, eine Kloßpresse aus dem Zylinderkolben eines Flugzeugs und eine Tischlampe mit einem Stahlhelm als Lampenschirm. Das mag makaber erscheinen, beklemmend auch. Doch die Menschen in der Zeit nach dem Krieg konnten es sich
schlicht nicht leisten, zimperlich zu sein. Der Mangel an nahezu allem machte es erforderlich, auch diese Gegenstände zu nutzen.
In der DDR fehlte es dann zwar nicht am täglichen Brot, aber an so vielem, dass die Marke Eigenbau weiterhin Konjunktur hatte und vielen Dingen ein zweites oder drittes Leben geschenkt wurde. So entstand aus einem alten Bogenfenster aus Holz ein Puppentheater oder aus einem Feuerwehrschlauch ein Sargtragegriff, als den Begriff Upcycling hierzulande noch kein Mensch kannte. Gewerkelt, weiß Stephanie Kula, wurde meistens daheim – und nicht selten nach dem gern zitierten Gedanken „Aus den Betrieben ist noch viel mehr herauszuholen“
Marke Eigenbau: ein aus einem alten Bogenfenster gefertigtes Puppentheater.
Stiftebecher als Werkarbeit in der 10. Klasse.
mit Material vom eigenen Arbeitsplatz.
Möglich geworden ist die kleinteilige, von Staatskanzlei und Sparkassenstiftung Weimar-Weimarer Land geförderte Ausstellung nur dank zahlreicher Leihgaben von Privatpersonen sowie aus den Museen in Leutenthal und Ingersleben. Ohne deren Exponate wäre schlicht nicht zu vermitteln gewesen, dass aus quasi Nichts letztlich doch immer erstaunlich viel entstanden ist.