Thüringische Landeszeitung (Jena)
Langer Weg zum Schlossrundgang
Gothas Friedenstein-Direktor braucht Platz und nimmt das Kaufhaus Adler ins Visier
Gotha. Die Architekturskizze weckt die pure Lust auf Friedenstein: Auf vier Etagen führen die Rundgänge durch die dreiflügelige Schlossanlage – die größte in Deutschland aus frühbarocker Zeit – und laden Besucher ein in die Prunk- und Wohnräume der Herzöge. Insbesondere aber in eine Welt der Künste und Wissenschaften – von urzeitlichen Sauriern übers Theater der Klassik bis zur Entdeckung der außereuropäischen Welt. Indes ist und bleibt all das vorerst nur eine Vision.
Gut zehn Jahre werde es dauern, bis eine solche Konzeption in greifbare Nähe rücke, gesteht Tobias Pfeifer-Helke, Direktor der Friedenstein-Stiftung, freimütig ein. Gleichwohl verlangt es der bürokratische Vorlauf für die begonnene, 110 Millionen Euro teure Schlosssanierung, dass die Haushaltsunterlage Bau (HU Bau) um eine solche HU Gerät ergänzt wird. Sonst fließt von Bund und Land kein Fördergeld.
Pfeifer-Helke atmet tief durch, mag sich von der inneren Anspannung, die ihm das Leben und Arbeiten auf einer Baustelle verursacht, nichts anmerken lassen und ringt sich zu dem Satz durch: „Hier muss dringend denkmalgerecht saniert werden.“– Einsicht also ins Unabänderliche, zunächst Provisorische.
Mit dem Bromacker-Lab für die Saurier und der theaterhistorischen Schau neben der Ekhof-Bühne probiere man jetzt im Westtrakt neue Präsentationsformate aus, erklärt der Direktor. Ein Pavillon soll in Kürze als temporäres Besucherzentrum auf parkseitigen Grünflächen zum Herzoglichen Museum hin entstehen. Platz, mehr Platz, wünscht sich Pfeifer-Helke und sucht nach nachhaltigen Lösungen.
Kaufhaus Adler öffnet Perspektiven auf ein „Museum der Natur“
So hat er fest das zum Verkauf stehende Kaufhaus Adler ins Visier genommen. Die Immobilie unweit des Perthesforums nähme eine Scharnierfunktion zur Stadt ein, gäbe auf gut 3500 Quadratmetern Raum für Ausstellungen und Büros her und diente als ein Begegnungsort. „Der Standort würde gut zum Friedenstein passen“, weiß Pfeifer-Helke. „Aber auch dafür braucht es Geld.“Sobald das Schloss Mitte der 2030schem er-Jahre fertig saniert ist, sähe er das Adler am liebsten zu einem Museum der Natur hergerichtet...
„1,15 Millionen Objekte!“betont der promovierte Kunsthistoriker die universale Üppigkeit der Friedenstein-Sammlungen – seit jeher sind Artificialia und Naturalia eng miteinander verknüpft: von der präparierten, ehedem im Thüringer Wald heimischen Mücke übers neuzeitliche Astrolabium und anderes wissenschaftliches Gerät bis hin zum japanischen Lackkästchen oder flämischen Ölgemälde. Solch eine Komplexität, die Kunst-, Kulturund Wissenschaftsgeschichte seit vier Jahrhunderten an authentiOrt anschaulich macht, will Pfeifer-Helke ausgespielt sehen.
So ergäben sich aus seiner Sicht in 10,15 Jahren drei Schwerpunkte: ein klassisches Residenzmuseum im Schloss mit der Kunst- und Wunderkammer im Westturm übers Theater und die Kapelle bis zur Bibliothek samt Münzkabinett im Ostflügel, dem Herzoglichen Museum für Kunst- und Sonderausstellungen sowie einem naturkundlichen Schwerpunkt im Adler. Dort ließe sich auch ein Schaufenster für die Perthes-Bestände – zurzeit im Besitz der Uni Erfurt – einrichten.
Zusätzlich bedarf es weiterer Depots und wissenschaftlicher Infrastruktur am Perthesforum, so dass in Pfeifer-Helkes Vision Gotha endlich als El Dorado für – touristische wie forschende – Zeitreisende erstünde. Klar ist dem Kulturmanager, dass ihm das noch viel Kraft und Geduld abnötigt. Doch ebenso weiß er, dass man jetzt die Weichen stellen muss. – Trotz aller Rückschläge im Alltag: Die Deckenbalken im Westflügel sind weit schwerer geschädigt, als befürchtet, meldet ein Sprecher der Schlösserstiftung, dem die Sanierung obliegt...