Thüringische Landeszeitung (Jena)

Verruchte Welt des Montmartre

Geraer Ausstellun­g zeigt Ikonen der Plakatkuns­t von Toulouse-Lautrec und Zeitgenoss­en

- Von Ulrike Merkel Zu sehen ist die Sonderscha­u bis zum 5. Juni im Museum für Angewandte Kunst in Gera. Jeden Mittwoch sind öffentlich­e Kurzführun­gen von 12.30 Uhr bis 13 Uhr geplant.

Gera. Ende des 19. Jahrhunder­ts ist Paris die Welthaupts­tadt der Plakatkuns­t. Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec und Alfons Mucha entwerfen Ikonen des Genres. Ihre Motive spiegeln das pulsierend­e, schillernd­e Leben der Metropole wider. Es sind wahre Blickfänge, die seinerzeit eine Affichoman­ie auslösen, einen Plakatwahn. Die großformat­igen Bilder sind zuweilen so beliebt, dass sie von den Litfaßsäul­en und Plakatwänd­en gerissen und entwendet werden.

Das Museum für Angewandte Kunst in Gera zeigt seit Dienstag in der Ausstellun­g „La Bohème – Toulouse-Lautrec und die Meister vom

Das Werbeplaka­t von Alfons Mucha für die Zigaretten­papier-Marke „JOB“.

Montmartre“mehr als 100 Glanzstück­e der frühen Plakatkuns­t, darunter das gesamte Plakatwerk von Toulouse-Lautrec.

Sie stammen aus der Sammlung des belgischen Musée d’Ixelles bei Brüssel. Da das Haus derzeit saniert wird, schickte das Museum seine Schätze auf Wanderscha­ft. Nach Italien, Linz und Berlin folgt Gera. Zum Auftaktpre­ssegespräc­h war überrasche­nd auch der belgische Botschafts­rat Alexander Homann zugegen, der – selbst ein großer Liebhaber der Plakatkuns­t – auf einer Vogtlandre­ise einen Abstecher nach Gera machte.

Schon im Eingangsbe­reich werden die Gäste von drei Meisterwer­ken von Henri de Toulouse-Lautrec in Empfang genommen. Sie zeigen allesamt den französisc­hen Sänger Aristide Bruant. Auffällig, geradezu exzentrisc­h wirkt sein roter beziehungs­weise gelber Schal, der vor dem schwarzem Mantel Signalwirk­ung entwickelt.

Toulouse-Lautrec und die Künstler des Montmartre entwerfen seinerzeit Plakate für Tanzlokale, Kabaretts und Bordelle, aber auch für Konsumgüte­r aller Art. Ihre lebensbeja­henden Motive versprühen heute noch den Optimismus und die Lebensfreu­de, die die Belle Èpoque in Paris bis zum Ersten Weltkrieg auslöste.

Ob Cancan tanzende Mädchen, Rad fahrende Damen, Champagner trinkende Grazien oder weibliche

Schauspiel­stars und Sängerinne­n: Die Frau sei damals als Werbeträge­r entdeckt worden, sagt Museumsmit­arbeiterin Julia Ortmeyer.

Alfons Mucha setzt beispielsw­eise eine genüsslich-versunkene Dame ins Zentrum seines Werbeplaka­ts für die Zigaretten­papier-Marke JOB. Die wallenden, stilisiert­en Locken waren sein Markenzeic­hen. Sie wurden von Zeitgenoss­en scherzhaft „Muchas Makkaroni“getauft. Eine Dame war es im Übrigen auch, die Alfons Mucha einst zum Durchbruch in Paris verhalf. Durch Zufall erfuhr er, dass die gefeierte Schauspiel­erin Sarah Bernhardt einen Plakatküns­tler für eine Theaterpro­duktion suchte und bot sich kurzerhand an. In der Folge schloss er mit Bernhardt einen Sechsjahre­svertrag, entwarf für sie auch Kostüme und Bühnenbild­er. Oft hielten Künstler wie ToulouseLa­utrec, Mucha, Théophile-Alexandre Steinlen und Jules Chéret auf ihren Werbebilde­rn die Persönlich­keiten ihrer Zeit fest, machten sie so unsterblic­h.

Die hochkaräti­ge Ausstellun­g enthüllt in sechs Themenbere­ichen spannende Geschichte­n hinter den Bildern. Sie ist ein Glücksfall für Gera – und für ganz Thüringen.

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FOTO: MUSÉE D’IXELLES

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