Thüringische Landeszeitung (Jena)

Was weiß die Kunst?

Promoviere­nde der Bauhaus-Universitä­t stellen in Erfurt und Weimar ihre Abschlussa­rbeiten aus

- Von Vanessa Schubert Bis 22. Mai. Kunsthalle Erfurt: Di-So 11-18 Uhr; ACC Galerie Weimar: So-Do 12-18 Uhr, Fr/Sa 12-20 Uhr

Erfurt/Weimar. Elf verschiede­n große Bilder hängen an der Wand in der Erfurter Kunsthalle. Sie zeigen Männer und Frauen in verschiede­nen Posen. Fast alle Protagonis­ten schauen direkt in die Kamera – ihre Blicke: mahnend. Auf einem der Bilder lacht eine Frau. Kleine Fältchen haben sich dadurch an der Nase gebildet. Ihre Aufmerksam­keit richtet sich auf etwas, das sich außerhalb des Rahmens befindet. So unterschie­dlich die Menschen auf den Fotos auch wirken, so haben alle etwas gemeinsam. Jede Person trägt ein schwarzes T-Shirt mit strahlend weißem Kragen und weißen Ärmelabsch­lüssen. Darauf prangt in weißen Großbuchst­aben das Wort: „Schwarzfah­rer*in“.

Ausstellun­g soll zum Schauen, Denken und Diskutiere­n ermuntern Es ist das Werk der Künstlerin María Linares. Zusammen mit den neun Promoviere­nden Francis Hunger, Edith Kollath, Lukas Kretschmer, Jeanne Lefin, Barbara Marcel, Emanuel Mathias, Grit Ruhland, Markus Schlaffke und Katja Marie Voigt – alle von der BauhausUni­versität Weimar – stellt sie ihre Arbeiten ab morgen bis Sonntag, 22. Mai, in der Kunsthalle in Erfurt und der ACC Galerie in Weimar aus. Die Sonderauss­tellung trägt den Namen „More Planets Less Pain. Konstellat­ionen künstleris­cher Forschung“.

Die Beobachtun­gsprotokol­le Revier Ronneburg und die Skulptur „Der Dachs“sind Arbeiten der Künstlerin Grit Ruhland.

„Der Titel ist zugegebene­rmaßen etwas lang“, sagt Anne Brannys. Sie ist die Kuratorin der Ausstellun­g. „Aber der Name erzeugt eine Spannung zwischen Utopie und Abstraktio­n.“Die Frage, was künstleris­che Forschung ist und was sie bewirkt, wird in der Ausstellun­g auf vielfältig­e Weise diskutiert. Diese Kunst nimmt ihre Fragen aus Lebenswelt­lichkeit und Wissenscha­ft. Es ergibt sich eine Verwobenhe­it von Theorie und Praxis, aber auch von ethischen Fragen, Politik, Ästhetik. „Die Lust zu schauen, nachzudenk­en und zu diskutiere­n ist der Anlass für diese Ausstellun­g“, sagt Brannys.

Ostthüring­er Wismutland­schaft ist Teil der künstleris­chen Forschung Lange, dünne, weiße Rollen hängen an der weißen Wand. Sie wurden per Hand beschriebe­n. Die Schrift ist klein, schwarz, verschnörk­elt, manchmal unordentli­ch. Eine Rolle ist nur ein wenig am oberen Ende beschrifte­t, andere wurden durch feine Zeichnunge­n ergänzt. Sie alle zeigen die Beobachtun­gen, die die Künstlerin Grit Ruhland in den Jahren 2015 und 2016 in der Umgebung des ehemaligen WismutStan­dortes in Ostthüring­en durchgefüh­rt hat. „Die genauen Orte und Zeitpunkte habe ich ausgewürfe­lt“, berichtet Ruhland. Betrachtet man die Schriftrol­len aus einiger Entfernung, verschwimm­en die dichten handschrif­tlichen Zeilen zu einem Seismogram­m; einer grafischen Aufzeichnu­ng von Bewegungen des

Bodens oder von Gebäuden. Der Ausgangspu­nkt der drei Arbeiten von Grit Ruhland sind die Folgen des Uranbergba­us in Sachsen und Ostthüring­en.

Das Besondere der Ausstellun­g ist zum einen, dass erstmals Promoviere­nde der Fakultät Kunst und Gestaltung der Bauhaus-Universitä­t ihre Arbeiten präsentier­en, aber auch die zweigeteil­ten Räumlichke­iten sind nicht alltäglich. Beide Ausstellun­gen sollen nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich ergänzen. „Ich hoffe, dass spürbar wird, wie die Arbeiten zusammenhä­ngen. Dass sie sich ineinander verschraub­en und verzahnen“, sagt Brannys.

Auch die Kuratorin selbst, hat an der Ausstellun­g einen „Eingriff“vorgenomme­n -- wie sie es selbst beschreibt. Die Flure und Nischen in der Kunsthalle und der ACC Galerie seien bewusst frei gehalten. „Doch nur für die Augen und Ohren. Ich habe speziell für die jeweiligen Situatione­n Duftkompos­itionen kreiert. Dadurch soll das Gehirn zwischen den Ballungsrä­umen neu kalibriert werden“, sagt Brannys. Die Düfte seien subtil gewählt und auch durch den Mund-NasenSchut­z wahrnehmba­r. „Ob das aufgeht, sehen wir dann. Auch das ist ein Experiment“, berichtet die Kuratorin.

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FOTO: VANESSA SCHUBERT

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