Thüringische Landeszeitung (Jena)
Trauer um Kastanien in der Ringwiese
Wer den Grund für Fällungen kennt, reagiert ruhiger – das öffentliche Register soll es dennoch nicht geben
Jena. Etwa 100 Jahre lang standen zwei Kastanien-Bäume geschwisterlich am Ufer des Ammerbachs in der Ahornstraße. Am 22. Februar wurden sie vom Kommunalservice Jena (KSJ) gefällt. Eine Anwohnerin aus der Ringwiese ist aufgebracht: „Was soll das? Warum mussten denn diese Bäume hier weg?“An einem der beiden Stümpfe haben Anwohner Schilder aufgestellt, auf denen zu lesen ist: „Warum wurde dieser gesunde, schöne Kastanienbaum gefällt?“
Auf Nachfrage bei KSJ klärt sich der Grund für die Maßnahme: „Die Bäume standen direkt neben einer Brücke, die ihre Standzeit erreicht hat und erneuert werden muss“, sagt Matthias Weitsch von KSJ. „Die Wurzeln der Bäume hängen da direkt am alten Mauerwerk. Sie hätten keine Chance gehabt.“KSJWerksleiter Uwe Feige erklärt weiter, dass die Brücke bereits 1908 erbaut wurde. Durchaus könne eine Brücke 114 Jahre stehen, doch in diesem Falle seien bei den regelmäßigen Prüfungen viele Probleme ersichtlich geworden. „Im Grunde sprechen wir da schon von einem Totalschaden.“
Die Zustandsnote liege bei 3,4, erklärt Feige weiter. Bei einer 4 stehe die Sperrung der Brücke an. Ab Sommer soll die komplette Brücke beseitigt und eine neue gebaut werden. Aufgrund der Brutzeiten habe
In der Ringwiese sind viele Anwohner entsetzt, dass zwei Kastanien gefällt wurden. Auch Sigrid Feser und Roland Maisch sind aufgebracht und ärgern sich über die Fällung.
man bereits jetzt die Bäume gefällt. Bis Ende des Jahres soll die neue Brücke stehen.
Eine andere Anwohnerin, die mit den Bäumen aufgewachsen ist, ist traurig aber nicht entsetzt. Als Kind habe sie hier Kastanien gesammelt. Zwar trauere sie um die schönen Bäume, allerdings habe sie schon vor der Fällung davon gewusst und sei nicht wie viele andere Anwohner böse überrascht worden.
Matthias Weitsch von KSJ erklärt, man habe den Ortsteilrat Jena-Süd über alle Maßnahmen informiert. Auf Nachfrage bei den Anwohnern der Ringwiese wird jedoch schnell klar, dass diese Information über den Ortsteilrat kaum hinausgekommen war.
„Baumfällungen transparenter machen“: Keine Mehrheit im Ausschuss Für ein öffentlich einsehbares Baumfäll-Register gibt es unterdessen wohl keine politische Mehrheit.
Der Ausschuss für Stadtentwicklung hat die seit Monaten vom Beirat für Klimaschutz vorbereitete Vorlage „Baumfällungen transparenter machen“am Donnerstagabend mehrheitlich abgelehnt.
In dem Stadtratsausschuss äußerten Verwaltungs- und KSJ-Vertreter zuvor Zweifel, ob der Beschluss etwas bringt. Dabei ging es nicht nur um ein für jeden Bürger leicht einsehbares Register. Planbare Baumfällungen im öffentlichen Raum sollten mindestens zwei Wochen zuvor auch dadurch angekündigt werden, dass Bäume farbige Markierungen erhalten.
„Baummarkierungen gibt es schon jetzt aus unterschiedlichen Gründen, durch weitere Markierungen würden vor allem Missverständnisse provoziert“, sagte KSJChef Uwe Feige. Immer mehr administrative Aufgaben führten dazu, dass weniger Zeit für die Baumpflege bleibe, zumal der Etat erheblich gekürzt wurde. Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) sekundierte: „Dieser Beschluss ist kein Instrument, der für mehr Stadtgrün sorgen wird.“Bei öffentlichen Baumfällungen sei nur ein kleiner Promillesatz problematisch.
Vincent Leonhardi, er sitzt als sachkundiger Bürger für die Grünen im Ausschuss, sprach für den Beschluss: „Wir müssen das Kernproblem besser in den Griff bekommen.“Zur Behauptung, ein Register mache zu viel Arbeit, sagte er, da sei viel Einmalaufwand dabei.
Ausschussmitglied Reinhard Wöckel (Linke) sagte, dass Baumfällungen viele Menschen beschäftigten. Er regte an, sich mehr Zeit zu nehmen, um in dritter Lesung ein für Jena positives Ergebnis zu erreichen. Dafür gab es aber keine Mehrheit, auch weil der Ausschuss schon viele andere Themen vor der Brust hat. Die finale Abstimmung als Votum für den Stadtrat ging dann ebenfalls zu Ungunsten der MehrTransparenz-Initiative aus.