Thüringische Landeszeitung (Jena)

Trauer um Kastanien in der Ringwiese

Wer den Grund für Fällungen kennt, reagiert ruhiger – das öffentlich­e Register soll es dennoch nicht geben

- Von Jördis Bachmann und Thomas Beier

Jena. Etwa 100 Jahre lang standen zwei Kastanien-Bäume geschwiste­rlich am Ufer des Ammerbachs in der Ahornstraß­e. Am 22. Februar wurden sie vom Kommunalse­rvice Jena (KSJ) gefällt. Eine Anwohnerin aus der Ringwiese ist aufgebrach­t: „Was soll das? Warum mussten denn diese Bäume hier weg?“An einem der beiden Stümpfe haben Anwohner Schilder aufgestell­t, auf denen zu lesen ist: „Warum wurde dieser gesunde, schöne Kastanienb­aum gefällt?“

Auf Nachfrage bei KSJ klärt sich der Grund für die Maßnahme: „Die Bäume standen direkt neben einer Brücke, die ihre Standzeit erreicht hat und erneuert werden muss“, sagt Matthias Weitsch von KSJ. „Die Wurzeln der Bäume hängen da direkt am alten Mauerwerk. Sie hätten keine Chance gehabt.“KSJWerksle­iter Uwe Feige erklärt weiter, dass die Brücke bereits 1908 erbaut wurde. Durchaus könne eine Brücke 114 Jahre stehen, doch in diesem Falle seien bei den regelmäßig­en Prüfungen viele Probleme ersichtlic­h geworden. „Im Grunde sprechen wir da schon von einem Totalschad­en.“

Die Zustandsno­te liege bei 3,4, erklärt Feige weiter. Bei einer 4 stehe die Sperrung der Brücke an. Ab Sommer soll die komplette Brücke beseitigt und eine neue gebaut werden. Aufgrund der Brutzeiten habe

In der Ringwiese sind viele Anwohner entsetzt, dass zwei Kastanien gefällt wurden. Auch Sigrid Feser und Roland Maisch sind aufgebrach­t und ärgern sich über die Fällung.

man bereits jetzt die Bäume gefällt. Bis Ende des Jahres soll die neue Brücke stehen.

Eine andere Anwohnerin, die mit den Bäumen aufgewachs­en ist, ist traurig aber nicht entsetzt. Als Kind habe sie hier Kastanien gesammelt. Zwar trauere sie um die schönen Bäume, allerdings habe sie schon vor der Fällung davon gewusst und sei nicht wie viele andere Anwohner böse überrascht worden.

Matthias Weitsch von KSJ erklärt, man habe den Ortsteilra­t Jena-Süd über alle Maßnahmen informiert. Auf Nachfrage bei den Anwohnern der Ringwiese wird jedoch schnell klar, dass diese Informatio­n über den Ortsteilra­t kaum hinausgeko­mmen war.

„Baumfällun­gen transparen­ter machen“: Keine Mehrheit im Ausschuss Für ein öffentlich einsehbare­s Baumfäll-Register gibt es unterdesse­n wohl keine politische Mehrheit.

Der Ausschuss für Stadtentwi­cklung hat die seit Monaten vom Beirat für Klimaschut­z vorbereite­te Vorlage „Baumfällun­gen transparen­ter machen“am Donnerstag­abend mehrheitli­ch abgelehnt.

In dem Stadtratsa­usschuss äußerten Verwaltung­s- und KSJ-Vertreter zuvor Zweifel, ob der Beschluss etwas bringt. Dabei ging es nicht nur um ein für jeden Bürger leicht einsehbare­s Register. Planbare Baumfällun­gen im öffentlich­en Raum sollten mindestens zwei Wochen zuvor auch dadurch angekündig­t werden, dass Bäume farbige Markierung­en erhalten.

„Baummarkie­rungen gibt es schon jetzt aus unterschie­dlichen Gründen, durch weitere Markierung­en würden vor allem Missverstä­ndnisse provoziert“, sagte KSJChef Uwe Feige. Immer mehr administra­tive Aufgaben führten dazu, dass weniger Zeit für die Baumpflege bleibe, zumal der Etat erheblich gekürzt wurde. Bürgermeis­ter Christian Gerlitz (SPD) sekundiert­e: „Dieser Beschluss ist kein Instrument, der für mehr Stadtgrün sorgen wird.“Bei öffentlich­en Baumfällun­gen sei nur ein kleiner Promillesa­tz problemati­sch.

Vincent Leonhardi, er sitzt als sachkundig­er Bürger für die Grünen im Ausschuss, sprach für den Beschluss: „Wir müssen das Kernproble­m besser in den Griff bekommen.“Zur Behauptung, ein Register mache zu viel Arbeit, sagte er, da sei viel Einmalaufw­and dabei.

Ausschussm­itglied Reinhard Wöckel (Linke) sagte, dass Baumfällun­gen viele Menschen beschäftig­ten. Er regte an, sich mehr Zeit zu nehmen, um in dritter Lesung ein für Jena positives Ergebnis zu erreichen. Dafür gab es aber keine Mehrheit, auch weil der Ausschuss schon viele andere Themen vor der Brust hat. Die finale Abstimmung als Votum für den Stadtrat ging dann ebenfalls zu Ungunsten der MehrTransp­arenz-Initiative aus.

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FOTO: JÖRDIS BACHMANN

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