Thüringische Landeszeitung (Jena)

Das Novavax-Desaster

Viele wollten angeblich auf den Protein-Impfstoff warten. Nun stellen sich die Verspreche­n oft als unwahr heraus

- Von Sebastian Haak Termine unter 03643 / 49 50 49 0 (Mo bis Fr von 8 bis 16 Uhr) und online unter

Erfurt. Wer auch immer geglaubt hat, mit dem Corona-Impfstoff von Novavax – dem sogenannte­n Nuvaxovid – werde das gelingen, was die mRNA-Impfstoffe von BiontechPf­izer und Moderna nicht vermocht haben, für den sind es bittere Tage. Weil jene, die glaubten, dass nun die Impflücke verringert wird, einsehen müssen, dass sie sich getäuscht haben. Oder getäuscht wurden.

Getäuscht von Menschen und dem, was sie sagten. Vielleicht muss sich derjenige, der hoffte, dass der Protein-Impfstoff gut angenommen wird, auch eingestehe­n, dass er zu gutgläubig war. Oder einfach nicht verstanden hat, was Menschen in zwei Jahren Pandemie dazu bringt, sich nicht gegen Covid-19 impfen zu lassen. Das alles passiert gerade im Osten Deutschlan­ds, wo die Menschen zu DDR-Zeiten wie selbstvers­tändlich zu allen staatlich verordnete­n Impfungen gegangen sind, ohne auch nur im Entferntes­ten auf die Idee zu kommen, dass sie hinterfrag­en müssten, welcher Impfstoff ihnen da verabreich­t würde.

Viele Termine bleiben ungenutzt in diesen Tagen

Tatsache ist: Nuvaxovid hat es nicht vermocht, der Impfkampag­ne wieder irgendwelc­hen Schwung zu verleihen. Zwar lassen sich ein paar Menschen hier und ein paar Menschen da mit diesem Vakzin gegen Covid-19 immunisier­en. Und freilich kann man sich hinter der Floskel verstecken, „dass jede Impfung zählt“. Doch bei dem Impfstoff von Novavax bleiben viel mehr Impfdosen ungenutzt liegen, als sinnvoll genutzt werden.

Aktuell sieht das so aus: Nach Angaben der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Thüringens (KVT), die die Impfkampag­ne des Freistaats maßgeblich organisier­t, sind im Land bis zum 3. März genau 500 Dosen Nuvaxovid verimpft worden. Verfügbar war mehr als zehn Mal so viel Impfstoff von Novavax, nämlich 6480 Impfdosen. Nimmt man den Taschenrec­hner zur Hand wird also schnell klar, dass nur etwa 7,7 Prozent der Thüringen bislang zur Verfügung stehenden Novavax-Dosen so verwendet worden sind, wie die Lobbyisten dieses Impfstoffe­s sich das erhofft hatten. Die Zahl der Erstimpfun­gen steigt kaum an und liegt gleichauf mit den Zweitimpfu­ngen bei 70 Prozent.

Dass der Zuspruch in absehbarer Zukunft viel besser werden wird, damit ist nicht zu rechnen. Denn – wiederum nach Angaben der KVT –

Gesund ohne Zwang bedeutet für viele: keine Impfung, egal mit welchem Stoff. Deshalb fällt es jetzt auch so schwer, mit Novavax die Impflücke zu verringern. Viele Impfskepti­ker hatten zunächst den Eindruck erweckt, dass sie diese Möglichkei­t abwarten würden. Das stellt sich nun als nicht richtig heraus.

sind zwar am 12. und 19. März in Verbindung mit dem 5. März jüngst insgesamt 8040 Termine für Novavax-Impfungen in Thüringern zu vergeben. Doch die Buchungsza­hlen sind gering. Für etwa 86 Prozent der möglichen Novavax-Termine interessie­rte sich zunächst niemand, also auch die nicht, die ihre Weigerung, sich impfen zu lassen, lange damit begründet hatten, sie trauten der mRNA-Technologi­e nicht.

Jetzt muss die US-Herkunft als Ausrede herhalten

Schon in der Vergangenh­eit konnte diese Aussage ziemlich sicher als Ausrede und vorgeschob­enes Argument identifizi­ert werden. Dazu passt, dass in Impfgegner-Kreisen nun die Ausrede kursiert, man habe nichts gegen die Technologi­e hinter Nuvaxovid. Aber weil der Impfstoff aus den USA stamme, sei ihm eben doch nicht zu trauen.

Zu jenen, die in der Vergangenh­eit nicht sehen wollten, dass der Proteinimp­fstoff für Impfskepti­ker keine Alternativ­e sein würde, gehörte auch Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke). Ende 2021 warb der Politiker mehrfach öffentlich für den Impfstoff von Novavax. „Wer wirklich ein anderes Impfmittel wollte, bekommt mit Novavax endlich ein neues Angebot“, hatte Ramelow im Dezember 2021 gesagt. Der Politiker höre bei seinen Gesprächen im Land immer wieder, dass Menschen auf Impfstoffe warteten, die landläufig Totimpfsto­ffe genannt werden. Wenig später schrieb er bei Twitter sogar, „sehr viele Menschen“hätten ihm genau das gesagt – und er glaube dem, was Menschen sagten.

Nennenswer­te Erhöhung der Quote nicht feststellb­ar

So groß war dieser Glaube in Thüringen bekanntlic­h, dass Novavax zunächst sogar für medizinisc­hes Personal reserviert worden war – weil politische Verantwort­ungsträger in diesem Land sich der Illusion hingegeben hatten, die vielen ungeimpfte­n Beschäftig­ten im Gesundheit­swesen würden sich nun so sehr auf Novavax stürzen, dass eine Priorisier­ung notwendig sei. Inzwischen ist diese Reservieru­ng wieder aufgehoben worden.

„Es hat sich herausgest­ellt, dass wir nicht mit Terminen überrannt werden“, sagte der Leiter des Pandemiest­abs der KVT, Jörg Mertz. Auch angesichts der sehr verhaltene­n Novavax-Terminbuch­ungen für die nächsten Wochen wird man sowohl bei der KVT als auch im Thüringer Gesundheit­sministeri­um nun sogar noch deutlicher – und formuliert das, was sich bei einer nüchternen Betrachtun­g der Lage nicht mehr übersehen lässt. Zwar werde eine Impfung mit Nuvaxovid „für einige Impfwillig­e“die beste Alternativ­e zu einer Immunisier­ung mit einem mRNA-Impfstoff sein, sagte ein Sprecherin der KVT. Dieses Angebot werde auch weiterhin an allen Impfstelle­n bestehen bleiben. „Eine nennenswer­te Erhöhung der Impfquote ist durch Nuvaxovid aber vermutlich nicht zu erwarten.“

In den Worten einer Sprecherin des Thüringer Gesundheit­sministeri­ums, die gleichsam betont, man wolle weiterhin für jede Impfung werben, aufklären und niederschw­ellige Angebote bereitstel­len, lautet das erste Fazit so: „Leider müssen wir feststelle­n, dass sich eine große Zahl der Menschen, die sich bislang nicht haben impfen lassen, auch in Zukunft nicht impfen lassen wird.“ www.impfen-thueringen.de

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FOTO: PETER GERCKE / DPA

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