Thüringische Landeszeitung (Jena)
Das Novavax-Desaster
Viele wollten angeblich auf den Protein-Impfstoff warten. Nun stellen sich die Versprechen oft als unwahr heraus
Erfurt. Wer auch immer geglaubt hat, mit dem Corona-Impfstoff von Novavax – dem sogenannten Nuvaxovid – werde das gelingen, was die mRNA-Impfstoffe von BiontechPfizer und Moderna nicht vermocht haben, für den sind es bittere Tage. Weil jene, die glaubten, dass nun die Impflücke verringert wird, einsehen müssen, dass sie sich getäuscht haben. Oder getäuscht wurden.
Getäuscht von Menschen und dem, was sie sagten. Vielleicht muss sich derjenige, der hoffte, dass der Protein-Impfstoff gut angenommen wird, auch eingestehen, dass er zu gutgläubig war. Oder einfach nicht verstanden hat, was Menschen in zwei Jahren Pandemie dazu bringt, sich nicht gegen Covid-19 impfen zu lassen. Das alles passiert gerade im Osten Deutschlands, wo die Menschen zu DDR-Zeiten wie selbstverständlich zu allen staatlich verordneten Impfungen gegangen sind, ohne auch nur im Entferntesten auf die Idee zu kommen, dass sie hinterfragen müssten, welcher Impfstoff ihnen da verabreicht würde.
Viele Termine bleiben ungenutzt in diesen Tagen
Tatsache ist: Nuvaxovid hat es nicht vermocht, der Impfkampagne wieder irgendwelchen Schwung zu verleihen. Zwar lassen sich ein paar Menschen hier und ein paar Menschen da mit diesem Vakzin gegen Covid-19 immunisieren. Und freilich kann man sich hinter der Floskel verstecken, „dass jede Impfung zählt“. Doch bei dem Impfstoff von Novavax bleiben viel mehr Impfdosen ungenutzt liegen, als sinnvoll genutzt werden.
Aktuell sieht das so aus: Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens (KVT), die die Impfkampagne des Freistaats maßgeblich organisiert, sind im Land bis zum 3. März genau 500 Dosen Nuvaxovid verimpft worden. Verfügbar war mehr als zehn Mal so viel Impfstoff von Novavax, nämlich 6480 Impfdosen. Nimmt man den Taschenrechner zur Hand wird also schnell klar, dass nur etwa 7,7 Prozent der Thüringen bislang zur Verfügung stehenden Novavax-Dosen so verwendet worden sind, wie die Lobbyisten dieses Impfstoffes sich das erhofft hatten. Die Zahl der Erstimpfungen steigt kaum an und liegt gleichauf mit den Zweitimpfungen bei 70 Prozent.
Dass der Zuspruch in absehbarer Zukunft viel besser werden wird, damit ist nicht zu rechnen. Denn – wiederum nach Angaben der KVT –
Gesund ohne Zwang bedeutet für viele: keine Impfung, egal mit welchem Stoff. Deshalb fällt es jetzt auch so schwer, mit Novavax die Impflücke zu verringern. Viele Impfskeptiker hatten zunächst den Eindruck erweckt, dass sie diese Möglichkeit abwarten würden. Das stellt sich nun als nicht richtig heraus.
sind zwar am 12. und 19. März in Verbindung mit dem 5. März jüngst insgesamt 8040 Termine für Novavax-Impfungen in Thüringern zu vergeben. Doch die Buchungszahlen sind gering. Für etwa 86 Prozent der möglichen Novavax-Termine interessierte sich zunächst niemand, also auch die nicht, die ihre Weigerung, sich impfen zu lassen, lange damit begründet hatten, sie trauten der mRNA-Technologie nicht.
Jetzt muss die US-Herkunft als Ausrede herhalten
Schon in der Vergangenheit konnte diese Aussage ziemlich sicher als Ausrede und vorgeschobenes Argument identifiziert werden. Dazu passt, dass in Impfgegner-Kreisen nun die Ausrede kursiert, man habe nichts gegen die Technologie hinter Nuvaxovid. Aber weil der Impfstoff aus den USA stamme, sei ihm eben doch nicht zu trauen.
Zu jenen, die in der Vergangenheit nicht sehen wollten, dass der Proteinimpfstoff für Impfskeptiker keine Alternative sein würde, gehörte auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Ende 2021 warb der Politiker mehrfach öffentlich für den Impfstoff von Novavax. „Wer wirklich ein anderes Impfmittel wollte, bekommt mit Novavax endlich ein neues Angebot“, hatte Ramelow im Dezember 2021 gesagt. Der Politiker höre bei seinen Gesprächen im Land immer wieder, dass Menschen auf Impfstoffe warteten, die landläufig Totimpfstoffe genannt werden. Wenig später schrieb er bei Twitter sogar, „sehr viele Menschen“hätten ihm genau das gesagt – und er glaube dem, was Menschen sagten.
Nennenswerte Erhöhung der Quote nicht feststellbar
So groß war dieser Glaube in Thüringen bekanntlich, dass Novavax zunächst sogar für medizinisches Personal reserviert worden war – weil politische Verantwortungsträger in diesem Land sich der Illusion hingegeben hatten, die vielen ungeimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen würden sich nun so sehr auf Novavax stürzen, dass eine Priorisierung notwendig sei. Inzwischen ist diese Reservierung wieder aufgehoben worden.
„Es hat sich herausgestellt, dass wir nicht mit Terminen überrannt werden“, sagte der Leiter des Pandemiestabs der KVT, Jörg Mertz. Auch angesichts der sehr verhaltenen Novavax-Terminbuchungen für die nächsten Wochen wird man sowohl bei der KVT als auch im Thüringer Gesundheitsministerium nun sogar noch deutlicher – und formuliert das, was sich bei einer nüchternen Betrachtung der Lage nicht mehr übersehen lässt. Zwar werde eine Impfung mit Nuvaxovid „für einige Impfwillige“die beste Alternative zu einer Immunisierung mit einem mRNA-Impfstoff sein, sagte ein Sprecherin der KVT. Dieses Angebot werde auch weiterhin an allen Impfstellen bestehen bleiben. „Eine nennenswerte Erhöhung der Impfquote ist durch Nuvaxovid aber vermutlich nicht zu erwarten.“
In den Worten einer Sprecherin des Thüringer Gesundheitsministeriums, die gleichsam betont, man wolle weiterhin für jede Impfung werben, aufklären und niederschwellige Angebote bereitstellen, lautet das erste Fazit so: „Leider müssen wir feststellen, dass sich eine große Zahl der Menschen, die sich bislang nicht haben impfen lassen, auch in Zukunft nicht impfen lassen wird.“ www.impfen-thueringen.de