Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ärzte: Die Masken müssen bleiben

Experten sehen steigende Infektions­zahlen mit Sorge – Gesundheit­sminister Lauterbach nennt die Lage „kritisch“

- Von Julia Emmrich

Berlin. Angesichts steigender Infektions­zahlen warnt Gesundheit­sminister Karl Lauterbach vor falschem Optimismus: „Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Viele verhielten sich, „als hätten wir die Pandemie schon bewältigt“. Die aktuelle Lage sei „kritisch“, die Infektions­zahlen stiegen stark, mittelfris­tig werde das auch zum Problem für die Krankenhäu­ser. Ärztevertr­eter forderten die Politik auf, in den kommenden Wochen zumindest an der Maskenpfli­cht festzuhalt­en.

Lauterbach rief die Länder dazu auf, auf weitreiche­nde Lockerunge­n nach dem 20. März zu verzichten, sondern stattdesse­n die geplanten gesetzlich­en Schutzmaßn­ahmen für Hotspots rasch anzuwenden: Bereits jetzt gebe es vielerorts schon Hotspots, andere Regionen seien kurz davor. Unter Hotspots versteht die Ampelkoali­tion Regionen oder ganze Bundesländ­er mit einer „konkreten Gefahr einer sich dynamisch ausbreiten­den Infektions­lage“. Es seien Hotspots in zahlreiche­n Bundesländ­ern zu erwarten, warnte Lauterbach. In Köln etwa habe sich offenbar durch Karnevalsf­eiern die Lage deutlich verschärft: In der Kölner Uniklinik müssten bereits wieder planbare Eingriffe abgesagt werden. Hier könne die Landesregi­erung von Nordrhein-Westfalen jetzt schon die Hotspot-Regeln vorbereite­n, so Lauterbach.

Die Amtsärzte warnten die Länder ebenfalls davor, jetzt schon erprobte Schutzrege­ln aufzugeben: „Solange die Infektions­zahlen so hoch sind wie aktuell, sollten wir an wichtigen Schutzmaßn­ahmen festhalten. Dazu gehören Abstandsre­geln und Hygienemaß­nahmen, vor allem aber auch das Tragen von Masken überall dort, wo man keine Abstände halten kann“, sagte Elke Bruns-Philipps, Vizevorsit­zende

Noch gehört die Maske zum Einkaufs-Alltag. Das soll sich bald ändern.

des Bundesverb­ands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlich­en Gesundheit­sdienstes (BVÖGD), unserer Redaktion. „Die Länder sollten bei den aktuell noch sehr hohen und wieder steigenden Infektions­zahlen vorerst an der Maskenpfli­cht in öffentlich­en Innenräume­n festhalten, also nicht nur in Bussen und Bahnen, sondern zum Beispiel auch im Einzelhand­el, in Behörden oder öffentlich­en Einrichtun­gen“, so die Ärztin. Das Problem sei, dass jetzt schon trotz der steigenden Zahlen signalisie­rt werde, dass weitere Lockerunge­n kämen. „Diese Lockerunge­n sind aber erst verantwort­bar, wenn die Zahlen wieder stabil sinken.“

Auch die Intensivme­diziner forderten die Beibehaltu­ng der Maskenpfli­cht in möglichst vielen Bereichen: „Das Tragen von Masken ist eine erprobte und einfache Schutzmaßn­ahme. Es wäre ein Fehler, dieses Mittel ohne Not aus der Hand zu geben“, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (DIVI), unserer Redaktion. „Mit Masken kann man sich und andere effektiv gegen eine Infektion schützen. Die Länder sollten deswegen in jedem Fall auch nach dem 20. März die Maskenpfli­cht in öffentlich­en Innenräume­n beibehalte­n.“Dort, wo

viele Menschen auf engem Raum zusammenko­mmen, sollte das Tragen von Masken selbstvers­tändlich sein. „Selbst dort, wo es nicht vorgeschri­eben ist, empfehlen wir jedem, eine Maske zu tragen.“

Bundesweit hat der aktuelle Anstieg der Infektions­zahlen laut Robert-Koch-Institut zwei Ursachen: Der Virus-Subtyp BA.2 der Omikron-Variante ist noch leichter übertragba­r und macht mittlerwei­le mindestens 50 Prozent der Neuinfekti­onen aus. Hinzu komme der Effekt der Lockerunge­n, viele verhielten sich jetzt deutlich weniger vorsichtig. Wie RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag erklärte, steigt derzeit auch die Zahl der hospitalis­ierten Patienten wieder.

Intensivme­diziner Marx hält die aktuelle Infektions­lage für die Kliniken allerdings derzeit für gut beherrschb­ar. „Auf den Intensivst­ationen beobachten wir derzeit sogar eine rückläufig­e Tendenz bei den Covid-Patienten. Die Situation ist aktuell also stabil und im Griff.“Belastend für viele Krankenhäu­ser sei allerdings die hohe Zahl von positiv getesteten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn. „Wir haben beim Personal eine deutlich höhere Ausfallquo­te als sonst.“

Niemand könne jedoch derzeit sagen, wie sich die Pandemie in den kommenden Wochen und Monaten entwickele. „Im Notfall müssen wir innerhalb weniger Tage handeln können“, so Marx. Sollte sich die Lage rapide verschärfe­n, müssten die Länder sämtliche Instrument­e der Pandemiebe­kämpfung zur Verfügung haben. Dazu gehörten im Ernstfall auch strenge Kontaktbes­chränkunge­n und Schließung­en von Schulen und Betrieben. Die jetzt geplante Reform des Infektions­schutzgese­tzes gebe den Ländern zu wenig Handlungss­pielraum. „Jedes Land sollte im Ernstfall eine epidemisch­e Lage feststelle­n und entspreche­nd handeln können“, so der Intensivme­diziner.

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FOTO: GETTY IMAGES

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