Thüringische Landeszeitung (Jena)
Schröders Reise zu Putin nur ein PR-Coup?
Schröder-Kim postet Bild vom Roten Platz
Stand Freitag sind 109.000 Menschen aus der Ukraine hier in Deutschland angekommen. Und mit steigender Brutalität des Angriffskrieges werden mehr kommen. Eine genaue Zahl kann niemand vorhersagen. Klar ist: Deutschland wird allen Menschen Schutz bieten, die aus der Ukraine zu uns fliehen.
Die Bundespolizei aktualisiert täglich das Lagebild an den Grenzen. Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit können sich erst einmal frei in Deutschland aufhalten und brauchen kein Visum. Spätestens nach 90 Tagen müssen sie sich dann registrieren. Sie sollten sich bei den Ausländerbehörden vor Ort melden, damit sie einen Aufenthaltstitel erhalten und damit auch eine Beschäftigungserlaubnis, Sozialleistungen,
Integrationsbeauftragte mit eigener Fluchtgeschichte: Reem Alabali-Radovan (31).
Krankenschutz und Zugang zu den Integrationssystemen.
Das sehe ich nicht so. Aber wir haben aus den Fehlern gelernt. Der Unterschied ist: Jetzt herrscht Krieg in einem EU-Nachbarland. Die EU hat eine historische Entscheidung getroffen, die eine schnelle und unbürokratische Aufnahme aller Kriegsflüchtlinge ermöglicht – in Deutschland nach Paragraf 24 Aufenthaltsgesetz.
Viele Menschen haben sich sofort bereit erklärt, Menschen aus der Ukraine privat aufzunehmen. Ich finde diese Solidarität großartig, das ist eine Sternstunde unseres Landes. Ich habe mir in Schwerin ein Bild davon gemacht. Bund, Länder und Kommunen arbeiten Hand in Hand, stellen Hilfe und Notunterkünfte bereit.
Nein. Bund, Länder und Kommunen stehen in der Verantwortung, die Aufnahme der Flüchtlinge zu gewährleisten. Es werden täglich neue Notunterkünfte errichtet, das funktioniert – auch in Partnerschaft mit Technischem Hilfswerk, Bundeswehr und den Wohlfahrtsverbänden.
Alle machen mit.
Sie tun es bereits in überwältigendem Maße überall vor Ort. Zusätzlich kann die Begleitung in einer Art Patenschaft sinnvoll sein. Die Menschen, die hier ankommen, haben 1000 Fragen – von Kita bis Arbeit. Wer helfen möchte, kann sich auch an die ukrainischen Communitys und Migrantenorganisationen wenden. Die sind nah dran und wissen, was die Geflüchteten brauchen.
Ja, denn wir haben auch aus der Situation 2015/16 gelernt und geben den Geflüchteten eine Arbeitserlaubnis direkt bei Erteilung ihres
Aufenthaltstitels. Es gibt einige Branchen wie Pflege oder Gastro- nomie, in denen Arbeitskräfte hän- deringend gesucht werden. Eine große Herausforderung ist, dass vie- le auf der Flucht natürlich nicht an ihre Berufs- und Studienabschlüsse in Papierform gedacht haben. Wir wollen nicht, dass sie dann als Un- gelernte gelten und im Niedriglohn- sektor landen. Daher müssen wir hier einen Weg zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse eb- nen.
Viele Unternehmen helfen in die- sen Tagen herausragend. Die Arbeitgeber können flexibel sein und damit umgehen, wenn ein per- fekter Lebenslauf fehlt oder nicht alle Papiere da sind. Wir müssen die Willkommenskultur auch auf dem Arbeitsmarkt stärken.
Die Geflüchteten erhalten Leistun- gen von den Sozialämtern über das Asylbewerberleistungsgesetz.
Jetzt haben Unterbringung und Versorgung Priorität. Dann stehen auch Angebote der Agentur für Arbeit offen. Aber wir sollten auch darüber nachdenken, Menschen aus der Ukraine mittelfristig Zu- gang zur Grundsicherung zu ge- währen.
Berlin. Einblicke in das, was dort in Moskau passiert ist, dringen nicht nach außen. Nur das: Gerhard Schröders Ehefrau Soyeon Schröder-Kim postet auf Instagram ein Foto von sich, die Hände gefaltet, dazu ein Gebets-Emoji. Im Hintergrund: die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau.
Der Ex-Bundeskanzler und SPDPolitiker Schröder machte sich auf nach Moskau, soll Russlands Staatschef Wladimir Putin getroffen haben. Die beiden sollen Freunde sein. Schröder ist seit vielen Jahren Lobbyist für den russischen Staatskonzern Rosneft. Putin-Versteher. Aber was ist seine Mission wert – außer ein PR-Coup für ihn selbst? Und Russlands Autokraten? Im politischen Berlin jedenfalls herrscht Ratlosigkeit über Zustandekommen und Verlauf der Reise des SPD-Politikers zu Putin. „Es gibt keinen Kontakt zu Gerhard Schröder“, verlautete aus dem Willy-Brandt-Haus. In der SPD werden die Erfolgsaussichten als gering eingeschätzt. Andererseits: „Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbaren Krieg zu beenden, ist ja willkommen“, so SPD-Chef Lars Klingbeil.
Klar ist: Der umstrittene ExKanzler ist weder im Auftrag der Bundesregierung noch der SPD in Moskau. Auch die Sicherheitsbehörden, etwa der deutsche Nachrichtendienst, waren von der Reise Schröders offenbar überrascht.
Die Reise des Ex-Kanzlers lässt vor allem seinen Nachfolger Olaf Scholz unglücklich aussehen. Die Bundesregierung scheitert gerade auf allen diplomatischen Wegen, Putin zum Stopp der Angriffe in der Ukraine zu bewegen. Entsprechend äußerte sich Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner: „Das kommentieren wir nicht.“Der Kanzler sagte nach dem EU-Gipfel in Versailles zu der Reise: „Wir werden sicherlich die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen können.“
Soyeon Schröder-Kim postete auf Instagram ein Foto aus Moskau.