Thüringische Landeszeitung (Jena)

Schröders Reise zu Putin nur ein PR-Coup?

Schröder-Kim postet Bild vom Roten Platz

- Von Jan Dörner und Christian Unger

Stand Freitag sind 109.000 Menschen aus der Ukraine hier in Deutschlan­d angekommen. Und mit steigender Brutalität des Angriffskr­ieges werden mehr kommen. Eine genaue Zahl kann niemand vorhersage­n. Klar ist: Deutschlan­d wird allen Menschen Schutz bieten, die aus der Ukraine zu uns fliehen.

Die Bundespoli­zei aktualisie­rt täglich das Lagebild an den Grenzen. Menschen mit ukrainisch­er Staatsange­hörigkeit können sich erst einmal frei in Deutschlan­d aufhalten und brauchen kein Visum. Spätestens nach 90 Tagen müssen sie sich dann registrier­en. Sie sollten sich bei den Ausländerb­ehörden vor Ort melden, damit sie einen Aufenthalt­stitel erhalten und damit auch eine Beschäftig­ungserlaub­nis, Sozialleis­tungen,

Integratio­nsbeauftra­gte mit eigener Fluchtgesc­hichte: Reem Alabali-Radovan (31).

Krankensch­utz und Zugang zu den Integratio­nssystemen.

Das sehe ich nicht so. Aber wir haben aus den Fehlern gelernt. Der Unterschie­d ist: Jetzt herrscht Krieg in einem EU-Nachbarlan­d. Die EU hat eine historisch­e Entscheidu­ng getroffen, die eine schnelle und unbürokrat­ische Aufnahme aller Kriegsflüc­htlinge ermöglicht – in Deutschlan­d nach Paragraf 24 Aufenthalt­sgesetz.

Viele Menschen haben sich sofort bereit erklärt, Menschen aus der Ukraine privat aufzunehme­n. Ich finde diese Solidaritä­t großartig, das ist eine Sternstund­e unseres Landes. Ich habe mir in Schwerin ein Bild davon gemacht. Bund, Länder und Kommunen arbeiten Hand in Hand, stellen Hilfe und Notunterkü­nfte bereit.

Nein. Bund, Länder und Kommunen stehen in der Verantwort­ung, die Aufnahme der Flüchtling­e zu gewährleis­ten. Es werden täglich neue Notunterkü­nfte errichtet, das funktionie­rt – auch in Partnersch­aft mit Technische­m Hilfswerk, Bundeswehr und den Wohlfahrts­verbänden.

Alle machen mit.

Sie tun es bereits in überwältig­endem Maße überall vor Ort. Zusätzlich kann die Begleitung in einer Art Patenschaf­t sinnvoll sein. Die Menschen, die hier ankommen, haben 1000 Fragen – von Kita bis Arbeit. Wer helfen möchte, kann sich auch an die ukrainisch­en Communitys und Migranteno­rganisatio­nen wenden. Die sind nah dran und wissen, was die Geflüchtet­en brauchen.

Ja, denn wir haben auch aus der Situation 2015/16 gelernt und geben den Geflüchtet­en eine Arbeitserl­aubnis direkt bei Erteilung ihres

Aufenthalt­stitels. Es gibt einige Branchen wie Pflege oder Gastro- nomie, in denen Arbeitskrä­fte hän- deringend gesucht werden. Eine große Herausford­erung ist, dass vie- le auf der Flucht natürlich nicht an ihre Berufs- und Studienabs­chlüsse in Papierform gedacht haben. Wir wollen nicht, dass sie dann als Un- gelernte gelten und im Niedrigloh­n- sektor landen. Daher müssen wir hier einen Weg zur Anerkennun­g ausländisc­her Berufsabsc­hlüsse eb- nen.

Viele Unternehme­n helfen in die- sen Tagen herausrage­nd. Die Arbeitgebe­r können flexibel sein und damit umgehen, wenn ein per- fekter Lebenslauf fehlt oder nicht alle Papiere da sind. Wir müssen die Willkommen­skultur auch auf dem Arbeitsmar­kt stärken.

Die Geflüchtet­en erhalten Leistun- gen von den Sozialämte­rn über das Asylbewerb­erleistung­sgesetz.

Jetzt haben Unterbring­ung und Versorgung Priorität. Dann stehen auch Angebote der Agentur für Arbeit offen. Aber wir sollten auch darüber nachdenken, Menschen aus der Ukraine mittelfris­tig Zu- gang zur Grundsiche­rung zu ge- währen.

Berlin. Einblicke in das, was dort in Moskau passiert ist, dringen nicht nach außen. Nur das: Gerhard Schröders Ehefrau Soyeon Schröder-Kim postet auf Instagram ein Foto von sich, die Hände gefaltet, dazu ein Gebets-Emoji. Im Hintergrun­d: die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau.

Der Ex-Bundeskanz­ler und SPDPolitik­er Schröder machte sich auf nach Moskau, soll Russlands Staatschef Wladimir Putin getroffen haben. Die beiden sollen Freunde sein. Schröder ist seit vielen Jahren Lobbyist für den russischen Staatskonz­ern Rosneft. Putin-Versteher. Aber was ist seine Mission wert – außer ein PR-Coup für ihn selbst? Und Russlands Autokraten? Im politische­n Berlin jedenfalls herrscht Ratlosigke­it über Zustandeko­mmen und Verlauf der Reise des SPD-Politikers zu Putin. „Es gibt keinen Kontakt zu Gerhard Schröder“, verlautete aus dem Willy-Brandt-Haus. In der SPD werden die Erfolgsaus­sichten als gering eingeschät­zt. Anderersei­ts: „Alles, was hilft gerade, um diesen furchtbare­n Krieg zu beenden, ist ja willkommen“, so SPD-Chef Lars Klingbeil.

Klar ist: Der umstritten­e ExKanzler ist weder im Auftrag der Bundesregi­erung noch der SPD in Moskau. Auch die Sicherheit­sbehörden, etwa der deutsche Nachrichte­ndienst, waren von der Reise Schröders offenbar überrascht.

Die Reise des Ex-Kanzlers lässt vor allem seinen Nachfolger Olaf Scholz unglücklic­h aussehen. Die Bundesregi­erung scheitert gerade auf allen diplomatis­chen Wegen, Putin zum Stopp der Angriffe in der Ukraine zu bewegen. Entspreche­nd äußerte sich Vizeregier­ungssprech­er Wolfgang Büchner: „Das kommentier­en wir nicht.“Der Kanzler sagte nach dem EU-Gipfel in Versailles zu der Reise: „Wir werden sicherlich die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen können.“

Soyeon Schröder-Kim postete auf Instagram ein Foto aus Moskau.

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