Thüringische Landeszeitung (Jena)
Plötzlich am Pranger
Stellen Sie sich vor, Sie gehen regelmäßig Ihrer Arbeit nach, erledigen die Ihnen gestellten Aufgaben, schauen dabei nicht auf die Uhr und setzen in stressigen Phasen mitunter ihre Gesundheit aufs Spiel. Jahre später sollen Sie den erhaltenen Lohn plötzlich wieder zurückzahlen. Geld, das Sie sauer verdient und für Ihr Leben benötigt haben. Klingt absurd, schockt aber momentan zwei Dutzend frühere Arbeitnehmer des FC Rot-Weiß; Spieler und Trainer inklusive.
Trieb das Insolvenzverfahren des Vereins in fast vier Jahren schon etliche seltsame Blüten, erreicht es mit den Anfechtungsklagen eine neue Dimension. Nach geschäftlichen Vertragspartnern werden nun auch ehemalige Angestellte rückwirkend zur Kasse gebeten – trotz nachweislich erbrachter Leistungen. Der Vorwurf: Im angeblichen Wissen um die wirtschaftliche Schieflage von Rot-Weiß hätten sie ihr Gehalt nicht annehmen dürfen.
Ein Unding. Denn im Umkehrschluss bedeutet dies: Spieler und Trainer hätten, auf einen Verdacht hin, Vertragsbruch begehen und damit eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung riskieren sollen. Selbst langjährige Kenner der Fußballszene, die unterhalb der Bundesligen regelmäßig von Insolvenzen erschüttert wird, halten dies für abwegig und die aktuellen Vorgänge in Erfurt für beispiellos.
Dagegen gibt es für den Insolvenzverwalter offenbar kaum eine andere Möglichkeit mehr, die Insolvenzmasse aufzustocken, um sich die eigene Vergütung zu sichern und eine annehmbare Gläubigerquote zu erreichen. Beides ist nötig, um einen Insolvenzplan aufzustellen und das Verfahren zum Abschluss zu bringen.
Wann dies endlich der Fall sein wird, ist durch die Vielzahl der Rechtsfälle jedoch offener denn je.