Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Grünen in der Lützerath-Falle

Beim Streit um den geräumten Braunkohle­ort kämpfen die Mitglieder der Ökopartei diesmal in beiden Lagern

- Theresa Martus

Der Ort Lützerath ist für Grüne in diesen Tagen schwierige­s Terrain. Denn wenn im Rheinland bald Räumungsko­mmandos anfangen, gegen Klimaaktiv­isten und -aktivistin­nen vorzugehen, die das Dorf besetzen, dann finden sich die regierende­n Grünen dieses Mal auf der Seite der Polizei. Auf der anderen Seite der Barrikaden dagegen stehen große Teile der grünen Basis und des grünen Umfelds. Und die sind sauer.

Denn es ist eine Landesregi­erung mit grüner Beteiligun­g, die Ansprüche des Konzerns da durchsetze­n lassen will. Mehr noch: Es waren die grüne Landeswirt­schaftsmin­isterin Mona Neubaur und der grüne Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck, die den Deal mit dem Energiekon­zern RWE ausgehande­lt haben, dem Lützerath jetzt zum Opfer fällt.

Im Gegenzug sagte der Konzern zu, bis 2030 aus der Kohle auszusteig­en. Doch in der Klimabeweg­ung glaubt man nicht, dass mit diesem Deal wirklich dem Klima geholfen ist. „Ihr habt euch verrechnet“stand am Wochenende über einem Gastbeitra­g der Fridays-forFuture-Aktivistin­nen Luisa Neubauer und Pauline Brünger in der „taz“, und gemeint war die grüne Partei. FFF und andere halten den

Grünen vor, dass die Menge an Kohle, die bis 2030 verbrannt werden kann, nicht begrenzt sei. Sie berufen sich auf Gutachten, die nahelegen würden, dass deshalb unterm Strich keine Emissionen eingespart werden.

„Ein Problem dieses Deals ist, dass er einen Riss verursacht zwischen der Bewegung und der Partei“, sagte Kathrin Henneberge­r, grüne Bundestags­abgeordnet­e und selbst lange bei „Ende Gelände“aktiv. „Und das können wir uns nicht leisten im Streit gegen die Klimakrise. Dafür ist die Macht auf der anderen Seite zu gewaltig.“Viele innerhalb der Partei, gerade auch hier in der Region der Tagebaue, seien eng verbunden mit dem Kampf gegen die Kohle. Basismitgl­ieder würden vor Ort Unterstütz­ung für den Erhalt des Dorfes bekommen. „Das ist auch innerparte­ilich eine Zerreißpro­be“, sagte Henneberge­r, die selbst vor Ort ist.

Wie schwer sich die Partei mit dem Deal um Lützerath tut, war bereits beim Parteitag im Oktober zu besichtige­n. Auch damals warnten zahlreiche Delegierte, dass die Grünen mit der Klimabeweg­ung ihre vielleicht wichtigste­n Verbündete­n vergrätzen würden. Ein Antrag der Grünen Jugend auf ein Moratorium für Lützerath wurde hitzig diskutiert, am Ende konnte sic-h der Parteivors­tand nur mit 19 Stimmen Vorsprung dagegen durchsetze­n.

Parteichef­in Ricarda Lang erklärte am Montag, sie habe Verständni­s für die Menschen, die jetzt in Lützerath demonstrie­rten. „Natürlich ist das für uns eine schmerzlic­he Entscheidu­ng.“Doch sie verwies auf den früheren Ausstieg als Erfolg und auch darauf, dass RWE rechtlich ausgeurtei­lte Ansprüche im Dorf habe. Den hinter den Protesten stehenden Wunsch nach mehr Klimaschut­z könne man erfüllen, sagte Lang. Jetzt müsse es um den Ausstieg bis 2030 in ganz Deutschlan­d gehen – also auch im Osten.

Kathrin Henneberge­r hofft noch immer, dass es einen friedliche­n Weg nach vorn gibt – und das Dorf erhalten bleibt. Alle Akteure müssten sich jetzt an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, sagt sie. „Ich habe große Sorge, dass es sonst wieder zu Verletzten oder sogar Todesfälle­n kommt wie im Hambacher Forst.“

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DPA Aktivistin Luisa Neubauer und andere werfen den Grünen vor: „Ihr habt euch verrechnet.“

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