Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ein Gedicht braucht mehr als Reime

Autorin Andrea Schomburg erklärt, was beim Dichten wichtig ist und Spaß macht

- Claudia Irle-Utsch dpa

„Ene, mene, muh, und raus bist du.“Das ist ein klitzeklei­ner Reim mit großer Wirkung. Er hilft beim Abzählen, zum Beispiel in einem Spiel. Das „Ene, mene, muh“hat noch weitere Zeilen: „Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste. Ene, mene, meck, und du bist weg.“Dieses Mini-Gedicht ist kurz, es hat lustige Wörter und: Es reimt sich.

Unrein oder rein, Hauptsache Reim

„Wörter reimen sich immer dann, wenn ein wichtiger Teil des eines Wortes mit dem eines anderen [...] übereinsti­mmt“, sagt Autorin Andrea Schomburg. Sie kennt sich aus mit Gedichten und Geschichte­n.

So reimen sich „Ball“und „Knall“und „Katze“und „Tatze“. Diese Wörter werden fast gleich geschriebe­n, nur am Anfang haben sie unterschie­dliche Buchstaben. „Es gibt aber auch unreine Reime“, erklärt die Expertin. Bei diesen Reimwörter­n ähnelt sich der Klang: Bei „Blick“und „Stück“stört es nicht besonders, dass hier ein „i“und dort ein „ü“in der Wortmitte steht.

Gedichte, die sich reimen, haben ein bestimmtes Muster. Bei „Ene, mene, muh“reimen sich immer zwei aufeinande­r folgende Verse, wie man die Zeilen eines Gedichts nennt. Der Reim kann aber auch Zeilen überspring­en: „Heile, heile Gänschen / Es ist bald wieder gut / Das Kätzchen hat ein Schwänzche­n / Es ist bald wieder gut.“

Wichtig ist, dass bei einem Gedicht der Rhythmus stimmt. Da darf nichts holpern oder klappern, sagt

Andrea Schomburg. Sie arbeitet deshalb manchmal richtig lange an ihren Gedichten. Wort für Wort muss passen und die Geschichte, die das Gedicht erzählt, natürlich auch. Manchmal kann ein Reimwort der Handlung sogar eine ganz neue Richtung geben, sagt die Expertin. „Wie beim Schaf, das den Schlaf nicht fand.“Natürlich reimt sich „Schaf“auf „Schlaf“. Aber in diesem Gedicht von Andrea Schomburg geht es nicht um die ersehnte Nachtruhe, sondern um einen Herrn mit dem Namen Schlaf. Das Wort „Schlaf“bedeutet auf einmal etwas ganz anderes.

Er hat einen Zopf, der Dackel kommt auf den Topf

Wer dichtet, spielt gern mit der Sprache. So lässt Andrea Schomburg in einem Bilderbuch das Mädchen Klara nicht mit blauer Tinte schreiben, sondern mit blauer Tante. Statt des Deckels kommt der Dackel auf den Topf. Die Vokale, also die Buchstaben A, E, I, O, U, samt den Umlauten Ä, Ö und Ü rasen in dieser Reimgeschi­chte durch die Wärter, äh, Wörter. Das überrascht und macht Lust aufs Lesen.

Nicht jedes Gedicht arbeitet mit Reimen, aber jedes Gedicht braucht Wörter, die miteinande­r etwas Bestimmtes erzählen möchten. „Mit wenigen Worten, kann ein Dichter oder eine Dichterin ganz viel sagen“, erklärt Andrea Schomburg. Manchmal bleibt ein Gedicht auch rätselhaft, es möchte zum Nachdenken anregen. Deshalb trainieren Gedichte auch das Gehirn: beim Lesen und Hören und beim Selberdich­ten.

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CLAUDIA IRLE-UTSCH / DPA Beim Reimen klingen die Wörter ähnlich, auch wenn sie etwas ganz anderes bedeuten.

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