Thüringische Landeszeitung (Jena)

Haft statt Bußgeld wird teuer

Mehr als 1400 Ersatzfrei­heitsstraf­en in Thüringen angeordnet. Diskussion um Bagatellde­likte

- Kai Mudra mit dpa

Die Zahl der Ersatzfrei­heitsstraf­en hält sich in Thüringen auf gleichblei­bend hohem Niveau. Im vorigen Jahr sind laut dpa mehr als 1400 angeordnet worden. Vor zwei Jahren waren es nach Informatio­nen dieser Zeitung mit 1586 knapp 700 mehr als 2020.

Ersatzfrei­heitsstraf­en werden angeordnet, wenn die betreffend­e Person nicht willens oder nicht in der Lage ist, eine Geldstrafe zu bezahlen. Die Länge der Haft richtet sich nach der Anzahl der Tagessätze, die im Urteil genannt werden. Deren Zahl steht für die Schwere der Strafe. Die Höhe des Geldbetrag­s berücksich­tigt das Einkommen. Daher kann es vorkommen, dass ein Täter, der zu 50 Tagessätze­n von jeweils 20 Euro verurteilt wird, 50 Tage in Haft muss, sollte er nicht zahlen. Dem stehen rund 150 Euro gegenüber, die jeder Hafttag in Thüringen kostet.

Ronny Rüdiger, Thüringer Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft Strafvollz­ug, warnt davor, diese Kosten der Haft einfach gegenzurec­hnen. Wer zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, habe eine Straftat begangen, erklärt er. Dabei gehe es nicht nur um Schwarzfah­ren.

Ersatzfrei­heitsstraf­en stehen seit Längerem in der Kritik, weil sie sozial schwache Menschen oft härter treffen. Sie könnten die verhängten Summen häufiger nicht bezahlen. Zudem gebe es Gefangene, die während ihrer Haftzeit keine Möglichkei­t hätten, Geld beispielsw­eise zum Begleichen ihrer Schulden anzusparen. Daher müssten sie statt ihrer Entlassung noch eine Ersatzfrei­heitsstraf­e mit verbüßen.

Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) hatte vor einem Jahr zudem angeregt, dass beispielsw­eise das Erschleich­en von Leistungen wie das Mitfahren in Bus oder Bahn ohne Ticket nicht mehr als Straftat verurteilt werden soll. Thüringen hatte bereits 2019 gemeinsam mit Berlin eine solche Initiative in den Bundesrat eingebrach­t. Damals fand der Vorstoß keine Mehrheit. Im vergangene­n Dezember hatte die Bundesregi­erung aber beschlosse­n, dass künftig zwei Tage Ersatzfrei­heitsstraf­e nur noch einen Hafttag bedeuten sollen. Damit würde sich die Haftdauer halbieren.

Thüringen geht noch einen anderen Weg: Als Ausgleich für Ersatzfrei­heitsstraf­en

werden laut Justizmini­sterium in Gefängniss­en Projekte angeboten, um durch Ableisten gemeinnütz­iger Arbeit die Zahl der zu verbüßende­n Hafttage zu reduzieren. Sechs Stunden Arbeit entspreche­n dabei einem Hafttag.

Minister Buschmann begründete seinen Vorstoß vor einem Jahr auch mit einer Entlastung der Justiz, sowohl der Gerichte als auch der Gefängniss­e. Wer eine Ersatzfrei­heitsstraf­e verbüßt, wird wie ein normaler Gefangener behandelt. Thüringen verzeichne­t relativ niedrige Gefangenen­zahlen, sodass die zusätzlich­en Häftlinge kaum Probleme bereiten, es sei denn, sie sind drogenoder alkoholabh­ängig.

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W. KUMM / DPA Marco Buschmann (FDP), Bundesjust­izminister, spricht im Bundestag.

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