Thüringische Landeszeitung (Jena)
Volle Praxen und zu wenige Fachärzte
Vor allem in ländlichen Regionen bemängeln viele Leser die medizinische Versorgung
Erfurt. Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung in Ihrem Wohnort oder Ihrem Stadtteil? – Dieser Frage widmete sich das fünfte große Themengebiet des Heimatchecks unserer Zeitung. Wieder konnten Leser Schulnoten vergeben und konkret benennen, wo es aus ihrer Sicht hakt.
Thüringenweit erteilten die Leser die Durchschnittsnote 3,0. Das ist zwar – im Vergleich mit anderen Kategorien wie etwa dem gastronomischen oder Freizeitangebot – nicht der schlechteste Wert, aber eben auch kein Ausdruck großer Zufriedenheit. Am zufriedensten sind die Jenaer (2,5), gefolgt von den Bewohnern im Kreis Nordhausen (2,6) sowie den Eichsfeldern und Weimarern (jeweils 2,7). Am schlechtesten bewertet wurde die medizinische Versorgung im Altenburger Land und im Landkreis Greiz (jeweils 3,6), im Kyffhäuserkreis (3,5) und im Ilm-Kreis (3,4).
Die Leser stören sich unter anderem an vollen Hausarztpraxen, die keine Patienten mehr aufnehmen, so dass sich Patienten hilfesuchend an die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen (KV) wenden müssen. Doch als nicht weniger ärgerlich empfinden die Leser die langen Wartezeiten auf Facharzt-Termine und die Tatsache, dass es für ältere oder in der Mobilität eingeschränkte Menschen gerade in ländlichen Regionen schwierig ist, die nächste Arztpraxis zu erreichen.
„Wie sollen das ältere Menschen ohne Auto machen“, fragen sich beispielsweise zwei Apoldaer, denen am Wochenende im zahnärztlichen Bereitschaftsdienst Praxen in Jena oder Weimar vorgeschlagen wurden. Rentner ohne Führerschein oder ohne hilfreiche Angehörige seien aufgeschmissen, beklagen viele. „Alles, was wichtig ist, ist zu Fuß fast nicht mehr erreichbar“, schreibt ein Leser.
Bemängelt wird zudem gerade auf dem Land die nach Empfinden der Leser zu geringe Anzahl von Fachärzten wie Diabetologen, Dermatologen, Orthopäden und Augenärzten. „Ich bin Diabetiker und muss extra zum Arzt von Greiz nach Schleiz fahren“, ärgert sich ein Leser. Doch genauso werden nicht behindertengerecht ausgestattete Praxen kritisiert. Das heißt: Nicht nur das Hinkommen ist dort, wo der ÖPNV ausgedünnt wurde, für viele eine Herausforderung, sondern auch das Hineinkommen.
Davon, dass sich in Thüringen die Zahl der Hausärzte sowie der ambulant tätigen Fachärzte und Psychotherapeuten seit 2013 erhöht hat, wie es der jüngste Versorgungsbericht der KV besagt, spüren die Menschen offenbar zu wenig. Zwei der Gründe dafür: Die Thüringer sind älter als der Bundesdurchschnitt und haben einen höheren Behandlungsbedarf. Zudem sind immer weniger junge Ärzte dazu bereit, wie frühere Mediziner-Generationen zu arbeiten. Statt der eigenen Praxis suchen sie lieber eine Anstellung mit festen Arbeitszeiten. Unterm Strich sinkt damit das zur Behandlung zur Verfügung stehende Zeitkontingent. Nachdem die Forderung, die Zahl der MedizinStudienplätze in Jena zu erhöhen, Gehör gefunden hat, fordert die KV nun für diese zusätzlichen Plätze auch eine fachärztliche Quote für den ländlichen Raum. Auf diese Weise gewännen die angehenden Mediziner frühzeitig Interesse für die ambulante Medizin sowie Verständnis für den Arbeitsalltag.