Thüringische Landeszeitung (Jena)
Hakeem Jeffries – wird er der neue Obama?
Abgeordneter aus Brooklyn begeistert mit Rede im Repräsentantenhaus wie einst sein Vorbild
Kaum hatte Hakeem Jeffries (52) in der Nacht zum Sonnabend im Plenarsaal des US-Repräsentantenhauses seine mitreißende Rede beendet, die demokratische Parteifreunde mit begeistertem Applaus quittierten, bimmelte sein Handy. In den darauffolgenden Stunden leuchtete der Bildschirm seines Mobiltelefons immer wieder auf. Anhänger aus seinem Wahlbezirk im New Yorker Stadtbezirk Brooklyn, afroamerikanische Politiker aus verschiedenen Südstaaten und auch sein großes Vorbild, der frühere Präsident Barack Obama, sollen versucht haben, den Senkrechtstarter zu erreichen. Um ihm, wie sie das alle wollten, zu gratulieren und Jeffries nahezulegen, sich um höhere Ämter zu bewerben – vielleicht sogar die Präsidentschaft, die Obama selbst im November 2008 erobert hatte.
Nach Sprecherwahl demokratische Werte beschwört
In der Tat erinnerte der Auftritt des Kongressabgeordneten, der seit 2013 einen der ärmsten Stadtbezirke von New York im Repräsentantenhaus vertritt, an den 44. Präsidenten. Genauer gesagt: an eine Rede, die Obama im Jahr 2004 beim Parteikonvent der Demokraten in Boston gehalten hatte. Damals ein Mitglied des Staatssenats von Illinois, zog Obama das Publikum mit einer knapp 20-minütigen Predigt in seinen Bann. Er berichtete von seiner Kindheit als Sohn eines Einwanderers aus Kenia, lobte die Möglichkeiten, die ihm der weltgrößte Schmelztiegel USA geboten hat, und skizzierte seine Vision eines besseren Amerika. Prompt wurde danach gemunkelt, der Mann habe das Zeug zum nächsten Präsidenten. Vier Jahre später war es dann so weit, als der neue Superstar der Partei den Republikaner John McCain in einem Erdrutschsieg bezwang.
Eine ähnliche Elektrizität war in dieser Nacht im Repräsentantenhaus zu spüren, als Jeffries die Republikaner einerseits zur Zusammenarbeit aufforderte, sie aber gleichzeitig an den Pranger stellte. Die Politiker in der unteren Kongresskammer sollten „nicht als Demokraten und als Republikaner, sondern als Amerikaner handeln“. Gleichwohl ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, „dass wir als Demokraten niemals unsere Prinzipien kompromittieren werden“. Es
war weniger eine Rede als vielmehr eine inbrünstige, leidenschaftliche Predigt.
Im rhythmischen Takt eines Rappers, der seinen Sprechgesang vorträgt, redete er Republikanern, die vier Jahre lang die Entgleisungen des ehemaligen Präsidenten Donald Trump geduldet und sogar bejubelt hatten, unermüdlich ins Gewissen. Jene Republikaner, die sich gerade mit 15 Abstimmungen zum Sprecher des Repräsentantenhauses blamiert hatten und dabei als tief gespaltene, radikalisierte Partei enttarnt wurden.
Demokraten hingegen, so Jeffries, würden immer „Werte über Autokratie stellen, Wohlwollen über Vorurteile, Verfassung über Kult, Demokratie über Demagogie, Freiheit über Faschismus, Hoffnung über Hass und Reife über Mar-a-Lago!“wetterte er. Jeffries geißelte die Opposition und insbesondere die Trumpisten unter ihnen. Selbst einige Republikaner räumten anschließend ein, dass Jeffries ein Mann mit einer Zukunft sei, ja vielleicht sogar als nächster Präsidentschaftskandidat.
Den Lebenslauf, den Ehrgeiz und den Pragmatismus hat der Demokrat
allemal. Geboren wurde Hakeem Sekou Jeffries in Brooklyn in ärmliche Verhältnisse. Seine Mutter Laneda war von Beruf Sozialarbeiterin, und Vater Marland beriet rauschgiftsüchtige Jugendliche. Hakeem entschied sich nach dem Highschool-Abschluss für ein Studium der Politikwissenschaften, zunächst an der Binghamton-Universität in New York und dann an der Elite-Universität Georgetown in Washington, wo er später auch als Jurist promovierte.
Der junge Anwalt war zunächst bei Privatkanzleien beschäftigt und später als Rechtsberater des Fernsehsenders CBS. Seine Vorliebe für die Politik entdeckte er indes schon mit Anfang 30 und bewarb sich zweimal vergeblich um einen Sitz im New Yorker Stadtparlament, wo er erst beim dritten Anlauf im Jahr 2007 einzog. 2012 wurde er dann das erste Mal ins Repräsentantenhaus gewählt, wo er nun seine sechste Amtsperiode absolviert.
Mit dem Etikett des potenziell „nächsten Obama“lebt Jeffries schon seit Beginn seiner politischen Karriere. Das leidenschaftliche Engagement für Themen, die seine Wählerschaft betreffen, die Eloquenz, die Authentizität und Intelligenz des Vortrags, die Bürgernähe, alles erinnert ein wenig an den 44.
Präsidenten. Als in einem Fahrstuhl in einem Apartmentgebäude in Brooklyn ein sechsjähriges Kind ermordet wurde, setzte Jeffries ein Gesetz durch, das mehr Geld für Sicherheitsvorkehrungen in öffentlichen Wohnbauprojekten vorsieht.
Kampf für neue Waffengesetze und gegen Polizeigewalt
Auch kämpft er für neue Waffengesetze und will der wiederkehrenden Polizeigewalt gegen unbewaffnete Schwarze einen Riegel vorschieben. Jeffries versteht sich zwar als Zentrist, koaliert aber mit dem liberalen Parteiflügel, wenn es um den Kampf gegen Klimawandel geht. Seine Chancen könnten 2024 nicht so schlecht sein. Schließlich ist unklar, ob Präsident Joe Biden, der dann seinen 82. Geburtstag feiern wird, tatsächlich ein weiteres Mal antreten will. Die Demokraten selbst sagen, sie bräuchten „frisches Blut“, einen kompetenten, jüngeren Kandidaten, der selbstbewusst ist und „republikanischen Rüpeln“die Stirn bieten kann. Hakeem Jeffries lässt sich nicht in die Karten schauen, ausschließen will er aber einen Anlauf auf das Weiße Haus auf keinen Fall.