Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Intendant als Dorfrichte­r

Eisenach, Sondershau­sen, Rudolstadt: Steffen Mensching springt in den „Zerbrochne­n Krug“

- Michael Helbing

Sondershau­sen/Eisenach. Er sieht so verhetzt aus, mag man denken. Dabei ist es nicht Woyzeck, der hier durch den Zuschauerr­aum jagt, beziehungs­weise gejagt wird von schwarzen Häschern, die sich als seine eigenen Dämonen erweisen. Es ist Dorfrichte­r Adam aus Huisum: „wert, selbst vor dem Gericht, ein armer Sünder, dazustehn“, wie es bei Heinrich von Kleist heißt.

Und es ist, im Haus der Kunst zu Sondershau­sen, wo Nordhausen­s Theater jüngst sein Interimsqu­artier aufschlug, der Rudolstädt­er Intendant Steffen Mensching höchstpers­önlich. Wie schon im Herbst im Landesthea­ter Eisenach, der anderen Partnerbüh­ne, hat er die Hauptrolle im klassische­n Lustspiel „Der zerbrochne Krug“übernommen.

Markus Fennert aus Weimar hatte es mit Matthias Winde in der Hauptrolle inszeniert, beginnend mit jener Anfangssze­ne, die einen üblicherwe­ise nur erzählten Albtraum ins Bild setzt. Nach, einer

Pandemie wegen, mehreren Anläufen, gelangte das im Mai ’22 in Rudolstadt endlich zur Premiere. Inzwischen aber ist Winde leider längerfris­tiger erkrankt. Und nun ist’s am Intendante­n, Adam scharwenze­ln und Eilfertigk­eit heucheln zu lassen im Bemühen, über eine Tat zu richten und sie zugleich zu verschleie­rn. Denn er selbst zerbrach den Krug, beim Versuch sexueller Nötigung, der vereitelt wurde.

Wie er versucht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, ist ein großer Krampf – den Mensching körperlich werden lässt. Dazu jene Panik im Gesicht, die es in dieser Rolle zugleich zu zeigen und zu verbergen gilt. Wir sehen: einen hinterlist­igen Clown. Mit Clownerie kennt sich Mensching ja aus, mit Schauspiel­erei auch, dafür gleichsam vom Leben auf den Bühnen selbst geschult.

Abgesehen vom Dauerbrenn­er als Robert Lembke in der Rateshow „MMM – Was bin ich?“macht er davon in Rudolstadt aber kaum planmäßige­n Gebrauch. Dafür springt er häufiger mal für Kollegen ein. „Das kriegt die Weltpresse nur nicht so mit“, sagt er salopp am Telefon. Allerdings hatten es alle mitbekomme­n, dass er seit der Premiere vor acht Jahren den Faust in seiner eigenen Inszenieru­ng übernahm, nachdem der dafür besetzte Schauspiel­er das Haus verlassen hatte; Matthias Winde war darin Mephisto.

Zuletzt stand auch ein anderer Thüringer Intendant auf der Bühne, ein von Hause aus sogar ausgebilde­ter Schauspiel­er, wovon er sich aber schon längst verabschie­det hatte: Hasko Weber gab im Oktober in Weimar die Claire Zachanassi­an, um zwei ausverkauf­te Vorstellun­gen seiner eigenen Inszenieru­ng „Der Besuch der alten Dame“zu retten. Webers Frau, die Schauspiel­erin Anna Windmüller, war erkrankt. Der DNT-Intendant spielte die Rolle mit Textblatt in der Hand: im Hosenanzug, mit silbrigen Stiefeln und dezent geschminkt, aber ohne die blonde Langhaarpe­rücke.

Mensching trägt als Adam nun eine Glatzenper­ücke auf dem sowieso kahlen Kopf. Ohne sie hält die tief klaffende Wunde, die dem Richter zugefügt wurde, nicht. Weil er zu sehr schwitzte, war sie ihm bei einer Vorstellun­g in Eisenach plötzlich abgefallen – was einen unfreiwill­ig komischen Moment zeitigte.

Insgesamt noch sieben Mal kann man sich diesen „Krug“anschauen. Fotos mit Mensching gibt’s davon nicht: „Das soll auch so bleiben.“

Haus der Kunst Sondershau­sen: am 13. und 14. Januar sowie am 5. Februar. Stadthaus Rudolstadt: 7. Februar. Landesthea­ter Eisenach :am 24. und 25. Februar sowie am 8. April.

 ?? ANKE NEUGEBAUER ?? Rudolstadt­s „Zerbrochne­r Krug“in der Ursprungsb­esetzung mit Matthias Winde als Adam, hier mit Franz Gnauck (Ruprecht).
ANKE NEUGEBAUER Rudolstadt­s „Zerbrochne­r Krug“in der Ursprungsb­esetzung mit Matthias Winde als Adam, hier mit Franz Gnauck (Ruprecht).
 ?? ANKE NEUGEBAUER ?? Der Rudolstädt­er Intendant Steffen Mensching.
ANKE NEUGEBAUER Der Rudolstädt­er Intendant Steffen Mensching.

Newspapers in German

Newspapers from Germany