Thüringische Landeszeitung (Jena)
Siegesmunds Karriereplanung löst Befremden und Kritik aus
Beim geplanten Wechsel der grünen Umweltministerin an die Spitze des Abfallverbandes sehen Parteifreunde „schon Probleme“
Die Karrierepläne der scheidenden Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) stoßen auch in ihrer Landespartei teilweise auf Unverständnis. „Wir als Grüne mussten nach den Aussagen davon ausgehen, dass sie aus privaten Gründen entschieden hat, das Amt niederzulegen, und dass sie keine Anschlussbeschäftigung hat“, sagte Landtagsfraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich dieser Zeitung.
Die Abgeordnete sieht die geplante Anstellung von Siegesmund kritisch. „Für uns als Grüne wäre die von ihr offenbar angestrebte Position schon schwierig, weil wir die
Regeln des neuen Ministergesetzes mitverhandelt haben“, sagte sie. „Und natürlich müssen diese Regeln auch für uns gelten.“Zwar kenne sie die genaue Aufgabenbeschreibung der möglichen Position nicht: „Aber ich sehe da schon Probleme.“
Nach Informationen dieser Zeitung soll Siegesmund im Mai zur geschäftsführenden Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) gewählt werden. Ministerin und Verband haben die Personalie bislang weder bestätigt noch dementiert.
Das Thüringer Ministergesetz sieht eine zweijährige Karenzzeit für ehemalige Minister vor. So kann die Landesregierung „eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung in den ersten 24 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt ganz oder teilweise untersagen“, falls diese neue Tätigkeit „in Angelegenheiten oder Bereichen ausgeübt werden soll“, mit dem das Kabinettsmitglied befasst war.
Auch die Thüringer Grünen-Chefin Ann-Sophie Bohm betonte, dass jede neue Beschäftigung von Siegesmund vom Kabinett geprüft werde. „Das Ministergesetz hat seine Richtigkeit und seine Notwendigkeit“, sagte sie. Klar sei aber auch, dass das Leben einer Politikerin nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht ende und sie ihre gesammelten Erfahrungen anderswo einbringen wolle. Sie erwarte, dass Siegesmund sich auch in einer neuen Position „für die übergeordnete Sache des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung“einsetze, sagte Bohm. Im Übrigen sei auch sie von den Berichten über die Pläne der Ministerin überrascht worden.
Die Opposition reagierte mit harscher Kritik. „Die Grünen haben eine große Meisterschaft darin entwickelt, von ihnen gesetzte Moralstandards zu unterlaufen, sobald sie selbst daran gemessen werden“, sagt CDU-Landtagsfraktionschef Mario Voigt dieser Zeitung. „Ich erwarte, dass alle Mitglieder dieser Landesregierung sich strikt an das Thüringer Ministergesetz halten, dessen Verschärfung sie mehrfach selbst betrieben haben.“Doppelstandards dürfe es nicht geben.
Laut FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich wird sich nun zeigen, wie es um „Glaubwürdigkeit und Moral“der Grünen stehe: „Predigt sie Wasser und trinkt selbst Wein?“