Thüringische Landeszeitung (Jena)
Wie Rechtsextreme die Justiz unterwandern wollen
Radikale Rechte versuchen, sich wichtige Posten an Gerichten zu sichern. Justizminister Marco Buschmann hält jetzt mit einem Gesetz dagegen
Berlin. Es ist ein Aufruf, der die Behörden alarmieren sollte. „Der Rechtsstaat braucht uns – werdet Schöffen!“, appellierte die rechtsextreme NPD auf ihrer Webseite. Aus dem politischen Ziel macht die Partei keinen Hehl: Angesichts angeblich steigender Kriminalität durch jugendliche Migranten in der Region sei es erforderlich, „dass die Schöffen ihre Entscheidungen streng nach geltender Rechtslage, nicht aber aus Beweggründen ‚politischer Korrektheit‘ treffen“würden. Bei der vergangenen Wahl zu den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern hatten ebenfalls rechte Bündnisse und Parteien ihre Anhänger ermuntert zu kandidieren. „Werdet Schöffen und sorgt für Gerechtigkeit in Strafprozessen“, schrieb das islamfeindliche Netzwerk Pegida. Ähnliche Aufrufe startete die AfD.
In diesem Jahr ist wieder Schöffenwahl. Für die nächsten fünf Jahre wählen die Amtsgerichte im Frühjahr Zehntausende in die Gerichte. Bewerben kann sich jede oder jeder Deutsche im Alter zwischen 25 und 69 Jahren. Schöffen werden von den Gemeindevertretungen als Kandidaten vorgeschlagen, ein Ausschuss an den Amtsgerichten wählt die Ehrenamtler dann. Sie sitzen an den Amtsgerichten, an den Landgerichten, an Schwurgerichten, in Jugendstrafkammern. Schöffen haben auf der Richterbank die gleichen Stimmrechte wie Berufsrichter. Eine Macht, die auch radikale Systemgegner anzieht.
Viel wird berichtet über Fälle von Rechtsextremismus bei der Polizei, über Netzwerke von Verfassungsfeinden, deren Mitglieder sich aus der Bundeswehr rekrutieren. Doch die Versuche von Extremisten, Ämter in der Justiz zu kapern, bleiben oft Randnotizen in den Debatten.
Nur punktuell schauen Behörden und Medien hin, so am 7. Dezember. Spezialkräfte der Polizei heben in ganz Deutschland eine mutmaßliche rechtsterroristische Zelle aus. Mit dabei: Birgit MalsackWinkemann, eine frühere AfD-Abgeordnete und Richterin in Berlin. Lange hatte die Berliner Verwaltung versucht, sie aus dem Amt zu
bekommen. Lange ohne Erfolg. Nun sitzt sie in Untersuchungshaft.
Im Frühjahr musste Jens Maier seinen Posten als Richter räumen – die Debatte um den AfD-Politiker lenkte erstmals größere Aufmerksamkeit auf die Probleme der Justiz mit einzelnen radikalen Rechten. „Wenn Angeklagte ‚AfD-Richter fürchten‘, haben wir alles richtig gemacht“, twitterte Maier 2019. Maier war am Landgericht Dresden im Einsatz, wollte nach dem Verlust seines Bundestagsmandats nun zurück in den Richterdienst. Doch der AfD-Mann gilt als Anhänger des mittlerweile formell aufgelösten völkischen AfD-„Flügels“, wird vom sächsischen Verfassungsschutz als Extremist geführt. Ein Dienstgericht entschied vor wenigen Wochen, dass Maier nicht zurück auf die Richterbank darf.
Gegen die Nennung im Verfassungsschutzbericht wehrt sich Maier gerade vor einem anderen Gericht. Und noch ist das Urteil gegen Maiers Ausschluss vom Richteramt nicht rechtskräftig, er kann in Revision ziehen.
Die Fälle zeigen, wie aufwendig es für die Justiz ist, mutmaßliche Verfassungsfeinde aus den Ämtern der Justiz zu bekommen. Man will keine Radikalen auf der Richterbank – zugleich müssen die Hürden hoch sein, damit keine politische Zensur
in der Justiz stattfindet. Das Gesetz will politisch aktive Richterinnen und Richter. Sie dürfen auch Mitglieder in Parteien sein. Zugleich soll die Justiz neutral sein, unparteiisch. Der Umgang mit rechten Richtern ist eine Gratwanderung.
Bei den Schöffen und ehrenamtlichen Richtern will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Verfassungsfeinde nun stärker ins Visier nehmen. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der unserer Redaktion vorab vorliegt. Geändert werden soll Paragraf 44 des Richtergesetzes. Laut dem Entwurf soll es künftig heißen, dass niemand in das Amt des ehrenamtlichen Richters berufen werden darf, der „keine Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt“.
Bisher schließt das Gericht Personen vom Schöffenamt aus, die gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen oder einst Mitarbeiter der Stasi in der DDR waren. „Eine explizite gesetzliche Verankerung macht die Pflicht der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter zur Verfassungstreue besser sichtbar und hebt deren besondere Bedeutung ausdrücklich hervor“, heißt es nun in dem Gesetzentwurf, der aktuell in der Abstimmung der Regierungsressorts ist. Ähnlich wie bei verschärften Strafzumessungen im Fall antisemitischer oder frauenfeindlicher Hetze will die Ampel mit dieser Gesetzesänderung die Justiz für mögliche Verfassungsfeinde in den Reihen der ehrenamtlichen Richter sensibilisieren.
Schon in der Vergangenheit waren einzelne Rechtsextremisten und Mitglieder der NPD erfolgreich bei der Wahl ins Schöffenamt. Immer wieder werden Fälle öffentlich: 2017 wird ein Schöffe vom Gericht in Hamm aus seinem Amt enthoben, weil er der verschwörungsideologischen Reichsbürger-Szene angehört. Im Kreis Fulda musste der Wahlausschuss einen Kandidaten von der Liste streichen, weil er bei der rechtsextremen Identitären Bewegung aktiv war. Bei der letzten Schöffenwahl 2018 schafften es vier Anhänger der stramm rechten Bewegung „Pro Deutschland“auf die Listen in Nordrhein-Westfalen.
Der Journalist und Jurist Joachim Wagner recherchiert seit Jahren zu „Rechten Richtern“, nun ist eine neue Auflage seines Buchs erschienen. „Es sind zwar einige brisante Fälle bereits bekannt und die Dunkelziffer an Richtern mit radikalen Gedanken dürfte noch höher liegen“, sagt Wagner im Gespräch mit unserer Redaktion. Aber: „Unterwandert ist die Justiz in Deutschland nicht.“Und darüber hinaus: „Die Justizbehörden und die Politik sind nicht aufmerksam genug, wenn es um Fälle rechtspopulistischer oder rechtsextremer Robenträger geht.“Zu oft würden die Behörden wegschauen. „Es herrscht in den Justizbehörden großer Korpsgeist. Hier funktioniert die Dienstaufsicht nicht.“
Fachleute wie Wagner sehen für kommunale Ämter vor allem ein gewachsenes Risiko. Die radikal rechte AfD wird stärker, erzielt gute Ergebnisse, landet in Parlamenten – und erhebt, solange sie nicht verboten ist, Ansprüche auf diese Ämter. Hier sei Bildung und Aufklärung wichtig, sagt Wagner. Ähnlich sieht es der Verband der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter. „Der beste Schutz vor Extremisten bei Gericht ist die Wachsamkeit in den Kommunen – dort, wo die Schöffinnen und Schöffen in der ersten Stufe ausgewählt werden“, sagt dessen Präsident Andreas Höhne.
Der beste Schutz vor Extremisten bei Gericht ist die Wachsamkeit in den Kommunen. Andreas Höhne, Präsident der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter