Thüringische Landeszeitung (Jena)

Zumindest ein Anfang

Die Theaterpau­schale entlastet kommunale Träger kurzfristi­g. Viel gewonnen für die Zukunft scheint damit noch nicht

- Michael Helbing

Beinahe unterm Radar passierte die Theaterpau­schale Ende Dezember den Landtag, als der mit dem lange strittigen Haushalt den neuerlich veränderte­n Kommunalen Finanzausg­leich (KFA) beschloss. Dabei wähnten im Sommer selbst Parteifreu­nde Benjamin-Immanuel Hoffs (Linke), der Kulturmini­ster werde sich mit seinem vom Brandenbur­ger Modell inspiriert­en Vorstoß eine blutige Nase holen.

Gewisserma­ßen bluten müssen nun allenfalls jene Kommunen, die keines der zwölf öffentlich geförderte­n Theater und Orchester mitfinanzi­eren. Fortan zumindest indirekt „alle Kommunen an der Finanzieru­ng der Theater- und Orchesterl­andschaft zu beteiligen“, war eines der erklärten Ziele, die die Regierung mit der Pauschale verfolgte.

Aus dieser Sicht kontraprod­uktiv gewesen wäre, was CDU-Innenpolit­iker Raymond Walk in der finalen

Die Wirksamkei­t und die tatsächlic­hen Effekte der „Theaterpau­schale“sind noch nicht abschließe­nd beurteilba­r. Carsten Müller, Werkleiter von Jena-Kultur

und arg gedrängten Haushaltsd­ebatte erklärte: Seine Partei begrüße KFA-Maßnahmen wie die Theaterpau­schale, dergleiche­n dürfe aber nicht dazu führen, dass die Schlüsselm­asse entspreche­nd gekürzt wird: „Das wollten wir ausgleiche­n.“Womit man aber scheiterte.

Dorothea Marx (SPD) nannte den Kulturlast­enausgleic­h und die in ihm nun verankerte Pauschale im Plenum derweil „unheimlich wichtige Dinge, die unser Land lebensund liebenswer­t machen und die nicht in den großen Zuschüssen sozusagen einfach nur so untergewur­schtelt werden sollen.“

Die kommunalen Theater- und Orchestert­räger sollen jetzt jährlich 20 Prozent ihrer Zuschüsse aus dem Finanzausg­leich erhalten. In

diesem Jahr zahlen sie insgesamt mehr als 54 Millionen Euro (das Land selbst 83 Millionen) und bekommen derart knapp 11 Millionen gleichsam erstattet. Hoffs Staatskanz­lei spricht von einer Sonderzuwe­isung. (Die grundsätzl­ich etwas anders geregelte Theaterfin­anzierung Brandenbur­gs wird zu 30 Prozent aus dem KFA bestritten).

Kommunen müssen bis Frühjahr auf Verwaltung­svorschrif­t warten

Das soll unter anderem die unterschie­dlich großen Lücken zum Flächentar­if schließen helfen, wie ihn bislang nur die Theater Weimars, Erfurts und Meiningens sowie seit einem Jahr auch Gera-Altenburgs zahlen. Allerdings, das räumte Hoff bereits im Herbst ein, wirkt die Theaterpau­schale nicht so stark wie gedacht, weil inzwischen die Mindestgag­en erhöht worden sind, derweil bekanntlic­h die Energiekos­ten allerorten stiegen.

Gleichwohl bedeute die Theaterpau­schale „definitiv mehr als ein

Tropfen auf den heißen Stein“, bestätigt Weimars OB Peter Kleine unserer Zeitung. Sie sei „aus Weimars Sicht gut und wichtig“und entlaste den Stadthaush­alt insofern, als man ihn unter anderem damit, aber auch wegen Mitteln wie der Energiepre­isbremse für 2023 zukriegen werde. Darüber hinaus bedeute sie „ein Stück weit Gerechtigk­eit.“Im Fall des DNT ist es das Weimarer Land, das nicht an der Finanzieru­ng direkt beteiligt ist. Ähnlich äußert sich Erfurts Kulturdeze­rnent Tobias J. Knoblich. Und Carsten Müller von Jena-Kultur glaubt: „Auf diese Weise sollte ein sonst anstehende­r entsolidar­isierender Kampf der Kulturakte­ure um die Mittel des Landeskult­urbudgets zumindest in seiner erwartbare­n Schärfe reduziert worden sein.“

Zugleich reagiert man allerorten zurückhalt­end. In Antworten auf eine E-Mail-Umfrage unserer Zeitung weisen kommunale Träger darauf hin, dass sie die Verwaltung­svorschrif­t abwarten, die die Staatskanz­lei

in Absprache mit dem Innenminis­terium erarbeiten muss. Die wird erst im Frühjahr vorliegen, heißt es aus der Staatskanz­lei.

Bislang habe das Land mehrere Berechnung­sbeispiele vorgetrage­n, so dass derzeit nicht klar sei, wie hoch die Entlastung tatsächlic­h ist, hört man etwa aus Eisenach.

Weitere Erhöhungen der Zuschüsse erforderli­ch

Die Stadt ist an ihrem Landesthea­ter und der Thüringen Philharmon­ie beteiligt. Im Kreis Gotha betont man den Entlastung­seffekt und will die Orchesterp­auschale „hundertpro­zentig“dafür verwenden, dass sich die Thüringen Philharmon­ie Gotha-Eisenach nicht noch weiter vom Flächentar­if entfernt.

Auch die Träger des Theaters Rudolstadt und der Saalfelder Symphonike­r wollen das Geld aus der Pauschale vollständi­g deren Beschäftig­ten zugutekomm­en lassen, „um die bestehende Tarifunger­echtigkeit zu beseitigen.“Um die Lücke

zum Flächentar­if komplett zu schließen – sie ist derzeit 20 Prozent groß – seien jedoch weitere Erhöhungen der Zuschüsse erforderli­ch.

Als Gesellscha­fter des Theaters Nordhausen­s nebst Loh-Orchester Sonderhaus­en erhält der Kreis Nordhausen über die Pauschale erstmals Geld aus dem Kulturlast­enausgleic­h: „ein wichtiger Beitrag zur Förderung der Kultur im ländlichen Raum.“Zugleich steigen die Kosten jährlich. Weshalb die Stadt Nordhausen die Pauschale „dringend notwendig“nennt.

Zumindest ein Anfang, mehr aber nicht: Das sagen die Rathäuser Geras und Altenburgs über die Pauschale. „Hinzukomme­n sollte eine deutliche Anhebung des Landeszusc­husses“, heißt es aus Gera. Alle Gesellscha­fter des Fünf-SpartenThe­aters blicken besorgt über 2024 hinaus: Danach drohe „ein jährliches Defizit in Millionenh­öhe“, so etwa der Kreis Altenburge­r Land.

Die Finanzieru­ngsverhand­lungen sollen im Sommer beendet sein.

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ANKE NEUGEBAUER Blicke in den Theaterkos­mos: Franz Gnauck (links) und Frank Lienert-Mondanelli in „Herscht 07769“in Rudolstadt.

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