Thüringische Landeszeitung (Jena)

Rudis besonderer Weg nach Hogwarts

Sandy und Andreas Wich sind stolz, wie ihr Sohn seit dem Start im Förderzent­rum Kahla reif fürs Gymnasium wurde

- Thomas Stridde

Rudi, der Elfjährige, kommt jetzt aufs Gymnasium. Es ist ein Happy End der besonderen Art. „Wir sind froh darüber und ein bisschen stolz auf uns“, sagt Rudis Vater Andreas Wich auch im Namen seiner Frau Sandy. Daheim hätten sie noch den Artikel aus dem Jahr 2018 unserer Zeitung aufbewahrt, in dem der Kampf um eine passende Schulausbi­ldung für den gehandicap­ten Rudi beschriebe­n ist. Das „stolz auf uns“spiegelt jenen Kampf. „Wir haben sehr geguckt, was das Bauchgefüh­l sagt“– und Widerständ­e, auf die sie stießen, nicht immer hingenomme­n, berichtet Andreas Wich. Er arbeitet in einem Jenaer BauFachhan­del; seine Frau ist Krankensch­wester von Beruf.

Kein Platz in Jena

Als Rudi vier Jahre alt war, bereitete er seiner Familie mit plötzlich aufgetrete­nen Epilepsie-Anfällen große Sorgen. Zwar fanden die Wichs damals eine fachlich sehr gute Betreuung für den Kleinen in der Integrativ­en Kita Leutragart­en des Saale-Betreuungs­werks (AugustBebe­l-Straße). Doch wie weiter, als die Einschulun­g anstand? Beheimatet in Zöllnitz (Andreas Wich: „Uns fehlten 300 Meter Luftlinie bis Jena“) und somit Bewohner des Saale-Holzland-Kreises, wurde der Gastantrag der Familie Wich für Rudi in keiner der auf Inklusion justierten Jenaer Schulen positiv beschieden. Kapazitäts­engpässe!

Rudis bester Freund: der Fahrer

Die zugewiesen­e Grundschul­e „Novalis“in Schlöben bei Lobeda nahm Familie Wich für ihren Rudi aber zunächst auch nicht in Anspruch. Zumal: Die Wichs hatten von den Medizinern des Epilepsie-Zentrums mit auf den Weg bekommen, auf Klassengrö­ßen von maximal 15 Kindern zu achten. In Schlöben wären es damals 24 gewesen, obwohl die Familie schon 2018 einen sehr guten Eindruck von der „Novalis“-Schule hatte.

„Wir hatten fast keine Auswahl“, sagt Andreas Wich heute. Um so mehr seien er und seine Frau „total erstaunt“gewesen, wie „ruhig, gegliedert und in kleinen Klassenstä­rken“der Unterricht im schlussend­lich ausgewählt­en Förderzent­rum

Kahla organisier­t war. Hinzu sei gekommen, dass ein Fahrdienst – getragen vom Verein für Behinderte – sehr gut funktionie­rte. „Der Fahrer ist Rudis bester Freund geworden.“Ein Wort zum jahrgangsü­bergreifen­den Unterricht: Er sei darauf ausgelegt gewesen, dass die Kinder in drei Jahren die Klassen 1 und 2 absolviere­n. Und sieh’ an: „Rudi brauchte das dritte Jahr nicht.“

Und jetzt Stadtroda

Der „mutige Schritt“, wie Andreas Wich sagt, für Rudis Wechsel an die „Novalis“-Grundschul­e habe im

Problem mit den Kahlaer Hort-Zeiten seinen Ursprung gehabt. In den Ferien 8 bis 12 Uhr, schwierig. Also die von Zöllnitz nicht weit entfernte Grundschul­e Schlöben! Dort ging Rudi bald gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Nils (heute 9) zusammen in die 3. Klasse. Über Rudis

Lehrerin Steffi Düpetell sagt Andreas Wich: „Sie hat Rudi behutsam aufgenomme­n, gefördert und gefordert.“Sein Sohn habe sich „von einem damals speziellen zu einem normalen Kind“entwickelt, dem ein wenig Autismus nur bei Ansammlung­en vieler Menschen anzumerken sei. Mittlerwei­le spielt Rudi beim FV Rodatal Zöllnitz sogar Fußball. Und Rudi selbst will auch die Kahlaer Zeit gewürdigt wissen: „Ohne Frau Hölzer wäre ich nicht aufs Gymnasium gekommen.“Dort stünden nicht die Unterricht­sstoffe, „sondern die Freude am Lernen und das Kind im Mittelpunk­t“, sagt Andreas Wich über das Förderzent­rum. Er habe sich gefreut gehabt, die Böttcher AG für eine Dankeschön-Spende an das Förderzent­rum gewinnen zu können: 15 Laptops.

Und weshalb das Pestalozzi­Gymnasium in Stadtroda und keines in Jena? Es gebe keinen Schulbus nach Jena, sagt Andreas Wich. Eines kommt hinzu. – Das „Pestalozzi“werde wegen seines Äußeren gern mit dem dank Harry Potter berühmtest­en Film-Internat verglichen: Hogwarts..

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THOMAS STRIDDE Andreas Wich und sein Sohn Rudi

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