Thüringische Landeszeitung (Jena)
Wie Linksextremisten ihre Opfer markieren
In Erfurt angegriffener Neonazi vor Monaten im Internet geoutet. CDU-Obmann Mohring: Bei Gewalt darf es keinen Unterschied in der Empörung geben
Der brutale Angriff auf die beiden Rechtsextremisten vergangenen Mittwoch in Erfurt war offenbar nur eine Frage der Zeit. Bei einem der Opfer handelt es sich nach Informationen dieser Zeitung um R., Mitglied der „Neue Stärke Partei“, die in Erfurt aus der rechtsextremen Kleinstpartei „III. Weg“hervorgegangen ist.
R. tauchte in den vergangenen Monaten immer wieder als Redner und Agitator bei den Aufmärschen der Partei auf. In Erfurt stand er beispielsweise im Zuge der angemeldeten Demonstration am 1. Mai des vergangenen Jahres auf der Bühne.
Seine in der Szene immer offenkundigere Umtriebigkeit scheint in linksextremen Kreisen nicht verborgen geblieben zu sein. Denn spätestens seit August 2022 wurde R. dort „markiert“.
Wie das aussieht? Auf einer linksextremen Plattform, die für jedermann einsehbar ist und auf der jedermann anonym veröffentlichen kann, wurde im August ein Bild des Mannes veröffentlicht mit der Überschrift: „Neonazi R. (hier steht im Original der Klarname) in Nachbarschaft geoutet“.
Im Text bezieht sich der Verfasser darauf, dass man über R. eine FlyerAktion in der unmittelbaren Nachbarschaft gestartet habe – und:
Auch die komplette Wohnanschrift des Mannes wird öffentlich gemacht. Nach Informationen dieser Zeitung ist die Adresse, die dort angegeben
wird, tatsächlich authentisch.
In dem Text machen die oder der Verfasser auch deutlich, dass sie im
Kampf gegen Rechtsextremisten nicht auf die Behörden setzen. Wörtlich: „Der Staat wird nichts gegen Nazis unternehmen, also müssen wir es selbst in die Hand nehmen.“Ob das nun die Gruppe getan hat, die am vergangenen Mittwoch mit Totschläger und Axt auf R. sowie einen weiteren Neonazi aus der Erfurter Kleinstpartei einprügelte? Das wird die Polizei zu ermitteln haben, die von einer politisch motivierten Tat ausgeht.
Nach dem gewalttätigen Überfall auf einen Szeneladen und dem Anschlag mit Chlor auf einen Neonazi und dessen schwangere Freundin ist das bereits der dritte Fall dieser Art, der für Aufsehen sorgt.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Mike Mohring, der für seine Partei als Obmann im Landtagsuntersuchungsausschuss zur Aufarbeitung politischer Gewalttaten in Thüringen sitzt, verurteilt die Tat und macht im Gespräch mit dieser Zeitung deutlich: „In der politischen Bewertung und der öffentlichen Empörung darf es keinen Unterschied machen, ob Nazis Andersdenkende verprügeln, Islamisten Anschläge verüben oder Linksextremisten Überfälle verüben.“
Im Innenausschuss, so Mohring, müsse geklärt werden, ob den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse über „möglicherweise neue linksextremistische Zellen“vorliegen.