Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ampel will Überhangma­ndate abschaffen

Koalition legt Vorschlag für Verkleiner­ung des Bundestags vor. Bei der Union stößt Wahlrechts­reform auf Ablehnung

- Martin Korte

Wegfall der Überhang- und Ausgleichs­mandate, doch keine Senkung der Zahl der Wahlkreise auf 280, Stopp des nahezu unkontroll­ierten Anwachsens des Bundestags: Das sieht der Gesetzentw­urf der Ampelkoali­tion zur Wahlrechts­reform vor. Er soll noch im Januar in den Bundestag eingebrach­t werden.

Das Modell sieht vor, die gesetzlich­e Regelgröße des Bundestags von 598 Abgeordnet­en auf Dauer zu garantiere­n. Derzeit sitzen dort 736 Parlamenta­rier. Hochrechnu­ngen haben ergeben, dass das komplizier­te deutsche Wahlrecht mit

Überhang- und Ausgleichs­mandaten sogar mehr als 900 Abgeordnet­e zur Folge haben könnte.

Dem Ampel-Entwurf zufolge sollen die Wähler auch zukünftig zwei Stimmen haben. Die bisherige Zweitstimm­e wird „Hauptstimm­e“, die Erststimme „Wahlkreiss­timme“heißen. Die Hauptstimm­e allein ist für die Verteilung der Sitze des Bundestags maßgeblich. Mit ihr werden die Landeslist­en der Parteien gewählt; mit der Wahlkreiss­timme wird über die Kreiswahlv­orschläge der 299 Wahlkreise abgestimmt. „Die auf die Landeslist­en der Parteien entfallene­n Hauptstimm­en entscheide­n über die Verteilung der Sitze, die in jedem Land zunächst

nach dem Verfahren der Hauptstimm­endeckung an die Wahlkreisk­andidieren­den der Parteien vergeben werden und dann an die Kandidiere­nden der Landeslist­e“, sagte Dirk

Wiese, Fraktionsv­ize der SPD im Bundestag, unserer Redaktion. „Jede Stimme wird in Zukunft gleich viel wert sein, das ist im Moment nicht der Fall“, betonte er. Die Reform setze den vom Bundesverf­assungsger­icht anerkannte­n Grundchara­kter der Bundestags­wahl als Verhältnis­wahl konsequent um.

Wegfall der Überhangma­ndate träfe vor allem die CSU

Die Zahl der Wahlkreise soll – anders als im Jahr 2020 beschlosse­n – nicht reduziert werden, es bleibt bei 299. Allerdings schließt die Reform nicht aus, dass einzelne Wahlkreise in Zukunft gar nicht von einem eigenen Abgeordnet­en im Bundestag vertreten sein werden. „Das wird erstens die absolute Ausnahme bleiben, und ist zweitens jetzt schon der Fall, wenn ein Abgeordnet­er verstirbt oder aus einem anderen Grund ausscheide­t“, sagte Wiese.

Die Union hat bereits Widerstand angekündig­t. Sie will gegen den Gesetzentw­urf klagen, weil sie ihn für verfassung­swidrig hält. Von einem Wegfall der Überhangma­ndate wäre vor allem die CSU betroffen; auf sie entfielen bei der Wahl 2021 elf dieser Mandate.

Den Gesetzentw­urf kann die Ampel im Bundestag mit ihrer Mehrheit durchbring­en. „Am Ende wird aber Karlsruhe das letzte Wort haben“, räumte Wiese ein.

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DPA Der Bundestag ist zuletzt auf 736 Abgeordnet­e angewachse­n.

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