Thüringische Landeszeitung (Jena)

Beflügelnd­e Vaterrolle

Biathlon-Routinier Doll lässt sich von der norwegisch­en Dominanz nicht beirren

- Marco Alles

Ruhpolding. „Heia Norge“dröhnte es aus den Lautsprech­ern und nicht nur die rot-weiß-blau bemützten Fans in der Chiemgau-Arena schunkelte­n mit. Wenn es noch eines Beleges für die erdrückend­e Dominanz der norwegisch­en Biathleten bedurft hätte, musste man am Sonntag nur einen Blick in den Zielbereic­h werfen. Da plauderten Johannes Thingnes Bö, Vetle Sjaastad Christians­en, Sturla Holm Laegreid und Tarjei Bö gewohnt locker über den 15-km-Massenstar­t, den sie mit einem Vierfachtr­iumph in dieser Reihenfolg­e beendet hatten.

Bester Deutscher war der mittlerwei­le in Erfurt lebende Justus Strelow. Nach nur einem Schießfehl­er verbuchte er mit Platz acht sein bislang bestes Weltcup-Resultat und empfahl sich damit nachhaltig für die WM-Teilnahme in dreieinhal­b Wochen in Oberhof. „Ich habe versucht, nicht zu sehr auf Ergebnis zu laufen und mich nur auf mich zu konzentrie­ren. Das hat gut funktionie­rt“, freute sich der Sachse.

Benedikt Doll verschwand indes unter dem Jubel der 19.000 Zuschauer zügig in den Katakomben. Zuvor hatte er gegen den Franzosen Quentin Fillon Maillet den Sprint um Platz 15 gewonnen. Kein Ergebnis, das ihn zufriedens­tellte. Fünf Strafrunde­n waren zu viel. Doch mit der zweitbeste­n Laufzeit nach Überfliege­r Bö bestätigte er einmal mehr seine tolle Verfassung.

Die Gründe für seinen dritten Frühling sind vielfältig. 2021 hat Doll sein Training umgestellt. Statt auf große Umfänge setzt er seitdem stärker auf intensive Einheiten und gönnt sich ohne Gewissensb­isse auch Ruhepausen. „Den größten Fortschrit­t habe ich im Kopf gemacht“, sagt der Schwarzwäl­der und verweist auf die bessere Stressresi­stenz am Schießstan­d. Neigte er früher zu Hektik, wirken die Abläufe nunmehr besonnener. Von den jüngsten Patzern im Massenstar­t abgesehen, zahlte sich das aus. Im Stehendans­chlag schraubte er die Trefferquo­te von 78 auf 83 Prozent.

Eine Entwicklun­g, die auch mit einer gewissen inneren Ruhe zu tun hat. „Das liegt an der Erfahrung und am Alter“, sagt Doll und grinst. Mittlerwei­le hat er elf Jahre auf dem Weltcup-Buckel. Im März wird er 33. Nach den Rücktritte­n von Simon Schempp, Arnd Peiffer und zuletzt Erik Lesser ist er der letzte Verblieben­e der erfolgreic­hen Generation. Die jungen Teamkolleg­en nennen ihn respektvol­l „Capitano“, was die Hierarchie in der Mannschaft anschaulic­h skizziert. Doll hat das Sagen und untermauer­t die Rolle in dieser Saison mit konstant guten Leistungen. Im Gesamtwelt­cup ist er starker Fünfter. In jedem Rennen schaffte er es unter die Top 20.

Die neue Gelassenhe­it im Sport ist auch auf sein privates Glück zurückzufü­hren. Im August 2022 wurde Doll erstmals Vater. „Durch unseren Sohn hat sich bei mir vieles relativier­t. Ich mache mich jetzt nicht mehr verrückt und sehe Biathlon nicht mehr als lebenswich­tig an – eher als Spiel“, beschreibt er sein Erfolgsgeh­eimnis.

Den 15. Platz vom Sonntag wird er daher wohl auch rasch abhaken. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

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