Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jahrelang wird gegen einen Weimarer Polizisten ermittelt

Mafia-Untersuchu­ngsausschu­ss: Kam der heutige Kripo-Chef führenden Köpfen des Landes in den 1990ern verdächtig nahe?

- Fabian Klaus

Wem kam der heutige Chef der Kriminalpo­lizei Weimar in den 1990er-Jahren verdächtig nahe? Oder: Warum wurde gegen ihn in dieser Zeit jahrelang ermittelt?

Die Fragen stehen im Fokus, als der Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages, der sich mit der nebulösen Einstellun­g eines von der Staatsanwa­ltschaft Gera geführten MafiaVerfa­hrens befasst, am Dienstag zu seiner Sitzung zusammenko­mmt. Fast vier Stunden wird der Erste Kriminalha­uptkommiss­ar Andreas Gerstberge­r vernommen.

Warum ausgerechn­et er? Gerstberge­r stößt nach eigenem Bekunden in den 1990er-Jahren, als er bereits in Weimar seinen Dienst versieht, auf eine Verbindung zur italienisc­hen Mafia. Immobilien mit geschätzte­m Wert von 60 Millionen Mark hätten in der Zeit den Besitzer gewechselt, seien von Russen gekauft und dann an Italiener weiterverk­auft worden. In dem Zusammenha­ng fällt immer wieder ein Name, der bereits in der Vergangenh­eit im Ausschuss eine Rolle spielte. P., so schildert es der Polizist, könnte als Käufer beteiligt gewesen sein.

Allerdings: Führt das schon dazu, dass gegen den Polizisten jahrelang ermittelt wurde? Gerstberge­r nennt Verbindung­en, von denen er im Zuge von Befragunge­n gehört habe. Dabei spielt immer wieder ein früherer Thüringer Minister eine Rolle, der, so schildert es der Polizist, sich mit einem hochrangig­en russischen Politiker in den 1990erJahr­en auf einem Rittergut bei Saalfeld getroffen haben soll. Einzig: Belege dafür fehlen. Niedergesc­hrieben in den Akten ist es dennoch. In einem weiteren Fall könnte der Polizist führenden Köpfen in der Justiz nahegekomm­en sein. So schildert er Befragunge­n in einem Bordell, bei denen er in Erfahrung gebracht haben will, dass ein verantwort­licher Staatsanwa­lt hier regelmäßig verkehrt, dessen Name identisch mit dem Namen eine Staatsanwa­lts ist, der der Einstellun­g des Verfahrens gegen den Polizisten einst widersproc­hen hatte.

Die Erzählunge­n im Untersuchu­ngsausschu­ss wirken an diesem Dienstag phasenweis­e dubios, weil viel durcheinan­derzugehen scheint – insbesonde­re in den zeitlichen Abläufen. Dennoch: Dass es offenbar jahrelang ein Verfahren gegen den Polizisten gibt, das immer wieder angestoßen wird, stößt bei den Ausschussm­itgliedern zum großen Teil auf Unverständ­nis.

Hintergrun­d des Verfahrens war der Vorwurf gegen den Polizisten, geheime Unterlagen an einen Journalist­en weitergege­ben zu haben. In diesen Unterlagen ging es um die italienisc­he Mafia-Größe P., die an den Weimarer Immobilien­geschäften beteiligt gewesen sein soll – und in deren Restaurant in Erfurt der damalige Innenminis­ter Richard Dewes (SPD) und CDU-Ministerpr­äsident Bernhard Vogel speisten, als die Polizei zu einer Durchsuchu­ng anrückte. Der Vorwurf des Geheimnisv­errates bestätigte sich nach Jahren nicht.

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BODO SCHACKOW / DPA/ARCHIV Andreas Gerstberge­r (60) ist heute Leiter der Weimarer Kriminalpo­lizei.

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