Thüringische Landeszeitung (Jena)
Vorbild Jacinda Ardern
Diana Zinkler über den Rücktritt einer Ministerpräsidentin
Eine große Aufgabe des Lebens ist es, dass wir lernen müssen, Abschied zu nehmen. Aber den rechten Moment zu finden, all den Mut zusammenzunehmen, um dann zu sagen: Ich gehe – das ist schwer. Noch schwieriger muss es für eine Person an der Spitze eines Landes sein, wenn man besonders viel Verantwortung trägt. Gerade führt Jacinda Ardern der ganzen Welt vor, wie man diesen persönlichen und sozialen Drahtseilakt elegant und für alle nachvollziehbar vollführt.
Wünscht man sich nicht oft insgeheim, auch deutsche Bundeskanzler und Kanzlerinnen hätten in der Vergangenheit erkannt, wann es Zeit ist zu gehen? Hätten es wirklich 16 Jahre Helmut Kohl und 16 Jahre Angela Merkel sein müssen?
Auch US-Präsident Joe Biden muss sich die Frage gefallen lassen, ob er fit genug für eine zweite Amtszeit ist. Auch da werden wir bald sehen, wie sehr Biden an der Macht klebt. Die nächste Wahl findet 2024 statt. Bei Antritt einer zweiten Amtszeit wäre er 82 Jahre alt.
Die 42-jährige Jacinda Ardern hat wieder einmal neue Maßstäbe gesetzt. 2017 war sie mit 37 Jahren zur Regierungschefin gewählt worden – sie war damals die jüngste Frau an der Spitze einer Regierung weltweit. Auch war sie erst die zweite Regierungschefin, die während ihrer Amtszeit ein Kind zur Welt brachte. Sechs Wochen nach der Geburt nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Um die Tochter kümmerte sich vor allem ihr Partner. Das Signal in die Welt: So sieht eine gleichberechtigte Partnerschaft aus!
Jacinda Ardern überrumpelte als Vorbild und mit ihrer Politik. Und genauso geht sie – mit einem Abschied, bei dem ihr applaudiert wird. Es war wohl wieder der richtige Zeitpunkt.