Thüringische Landeszeitung (Jena)

Vor dem Kampf

Wie sich die Thüringer Parteien schon jetzt auf das Superwahlj­ahr 2024 einstellen

- Martin Debes

Es kann Mario Voigt gar nicht schnell genug gehen. Bereits Ende März sollen in allen 44 Thüringer Wahlkreise­n die Kandidaten der CDU für die Landtagswa­hl feststehen. So lautet zumindest die interne Ansage des Vorsitzend­en der Landespart­ei und der zugehörige­n Parlaments­fraktion.

Warum die große Eile? Nun, zum einen ist die CDU trotz aller Wahlnieder­lagen die größte Partei in den Wahlkreise­n: Alle ihre 21 Abgeordnet­en sind direkt gewählt, und zwar ausschließ­lich außerhalb der größeren Städte. Hier befindet sich, hart formuliert, ihre letzte Bastion.

Zum anderen kann niemand mit letzter Gewissheit sagen, wann gewählt wird. Zwar platzte bekanntlic­h die für 2021 geplante Neuwahl des Landtags spektakulä­r – womit weiter die fünfjährig­e Legislatur gilt und die Landesregi­erung laut Landesverf­assung sich einen Sonntag nach dem 1. September 2024 für den Wahltermin aussuchen darf. Dennoch halten sich hartnäckig Gerüchte, dass die Abstimmung vielleicht doch vorverlegt werden könnte – und sei es in das Frühjahr 2024, wenn neben dem Europaparl­ament in Thüringen auch noch Landräte, Oberbürger­meister und Kommunalgr­emien gewählt werden. Das Superwahlj­ahr wäre damit auf einen Termin konzentrie­rt.

Aber die Chancen dafür sind gering. Denn jenseits der politisch untauglich­en Vertrauens­frage des Ministerpr­äsidenten, die von der AfD bloß wieder für ein destruktiv­es Manöver genutzt würde, gibt es nur einen Weg dahin: über die Auflösung des Parlaments. Und die nötige Zweidritte­lmehrheit dafür ist nach wie vor nicht erkennbar.

Abstimmung über die Landräte wird für die CDU herausford­ernd

Diese Einschätzu­ng könnte sich nur ändern, wenn der Landeshaus­halt für 2024 im Landtag an der Mehrheitso­pposition scheiterte. Doch dies gilt als Horrorszen­ario. Denn dann müsste das Land wohl das gesamte Jahr 2024 ohne Haushalt wirtschaft­en. Dies bedeutete keine neuen Investitio­nen sowie gekürzte Gelder für Kommunen und Verbände.

Linke-Fraktionsc­hef Steffen Dittes hatte deshalb zuletzt die CDU ermahnt, möglichst bald den Landesetat 2024 zu beschließe­n, um dann befreit alle Wahlen vorbereite­n zu können. Ein kleiner Stabilität­spakt müsse her, sagte er, was die

Union ebenso rasch wie erwartbar von sich wies.

Dennoch will Dittes’ Parteifreu­nd und Regierungs­chef Bodo Ramelow CDU und FDP einladen, bevor sich Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) an die Aufstellun­g des Haushalts macht. So, sagt er, könne die Minderheit­sregierung ja schon vorab die Wünsche der Opposition berücksich­tigen. Jenseits dessen wäre das Einfachste, den laufenden Haushalt für 2023 fortzuschr­eiben.

Es spricht einiges dafür, dass sich die CDU am Ende wieder mindestens zu einer Enthaltung im Landtag hergeben wird. Ihre zentrale politische Klientel, Kommunen und Wirtschaft, würden ihr alles andere sehr übel nehmen.

Somit bleibt das wahrschein­lichste Szenario: Kommunal- und EUWahlen im Frühjahr – und Landtagswa­hl im Spätsommer oder Herbst. Schon die Abstimmung über die Landräte wird insbesonde­re für die CDU zur Herausford­erung: Ein halbes Dutzend ihrer Amtsinhabe­r tritt ab. Den Auftakt

macht Thomas Fügmann im SaaleOrla-Kreis, wo bereits Anfang 2024 gewählt werden muss.

Doch die Kommunal- und Europawahl­en sind eben nur die Ouvertüre für den Kampf um den Landtag. Da auch in Sachsen und Brandenbur­g gewählt wird, dürften sich wieder alle Blicke auf den Osten richten – und hier vor allem ins Land des einstigen Kurzzeitmi­nisterpräs­identen von AfD-Gnaden, des einzigen linken Regierungs­chefs und der einzigen Minderheit­sregierung der Republik.

Werden sich die einmaligen Thüringer Verhältnis­se fortsetzen? Und wird eine unfreiwill­ige Mehrheit von Linke und AfD im Parlament wieder ins Chaos führen?

Die Chancen dafür sind hoch, zumindest besagen dies die Umfragen. Umso erbitterte­r dürften drei Zweikämpfe geführt werden. Der Kampf um die Deutungsho­heit, gerne auch Hegemonie genannt, findet zwischen Linke und AfD statt. Der Kampf um die Staatskanz­lei, also um die reale Macht, wird wiederum zwischen Linke und CDU ausgetra

gen. Und den Kampf um die Wahlkreise dominieren wohl erneut CDU und AfD.

Akuter Entscheidu­ngsbedarf bei den Grünen

Die Spitzenkan­didaten stehen weitgehend fest: Bodo Ramelow für die Linke, Björn Höcke für die AfD, Innenminis­ter Georg Maier für die SPD, Thomas Kemmerich für die FDP – und Mario Voigt für die CDU, wobei hier der Ausgang der Korruption­sermittlun­gen abzuwarten ist.

Nur bei den Grünen gibt es nach dem Rückzug von Anja Siegesmund akuten Entscheidu­ngsbedarf: Viel spricht hier für ein Duo von Madeleine Henfling und Bernhard Stengele.

Dies ist in etwa die Ausgangsla­ge zum Beginn des Vorwahljah­res. Spätestens ab jetzt wird jede Abstimmung im Landtag, jede thüringisc­he Initiative im Bund und fast jede Entscheidu­ng im Landeskabi­nett vom Blick auf die 2024er Wahlen bestimmt sein. Oder anders formuliert: Es wird wieder einmal ein landespoli­tisch anstrengen­des Jahr.

 ?? MARTIN SCHUTT / DPA/ARCHIV ?? Wer überreicht wem Blumen? Bodo Ramelow (Linke, links) nach seiner Wiederwahl zum Ministerpr­äsidenten am 4. März 2020 mit Kurzzeit-Amtsvorgän­ger Thomas Kemmerich (FDP).
MARTIN SCHUTT / DPA/ARCHIV Wer überreicht wem Blumen? Bodo Ramelow (Linke, links) nach seiner Wiederwahl zum Ministerpr­äsidenten am 4. März 2020 mit Kurzzeit-Amtsvorgän­ger Thomas Kemmerich (FDP).

Newspapers in German

Newspapers from Germany