Thüringische Landeszeitung (Jena)

Den USA droht der Staatsbank­rott

Um die Zahlungsun­fähigkeit zu verhindern, braucht Joe Biden die Republikan­er. Doch ein Kompromiss ist nicht in Sicht

- Peter DeThier

Die USA haben die gesetzlich­e Schuldengr­enze von derzeit 31,4 Billionen Dollar erreicht. Nun hat das US-Finanzmini­sterium begonnen, „außerorden­tliche Maßnahmen“zu ergreifen, um eine Überschrei­tung und somit mögliche Zahlungsun­fähigkeit zu verhindern. Gelingt es dem Weißen Haus und dem Kongress nicht, sich auf eine Erhöhung des Schuldenli­mits zu einigen, dann könnten die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Staatsplei­te erleben – mit verheerend­en Folgen.

Das Drama scheint sich in Washington alle paar Jahre zu wiederhole­n: Politiker reden über die Notwendigk­eit, zu sparen und die Neuverschu­ldung zu reduzieren. Dann geschieht aber das Gegenteil. Jedes Jahr ein neues Haushaltsd­efizit, das Loch in der Staatskass­e wird immer größer, und immer wieder nähert sich der Fiskus dem sogenannte­n „debt ceiling“, also der „Schuldende­cke“. Wird diese Grenze überschrit­ten, dann wäre das Schatzamt außerstand­e, Zinszahlun­gen zu leisten oder Anleger zu bezahlen, deren Staatsanle­ihen fällig werden. Das können große Investment­unternehme­n, Privatbürg­er, andere Staaten oder auch Notenbanke­n sein, die US-Staatsanle­ihen halten.

Die Ironie besteht darin, dass der Kongress diese Schuldengr­enze im Jahr 1917 verabschie­dete, um genau das Gegenteil zu erreichen:

Während des Ersten Weltkriegs ging es nicht darum, zu sparen. Vielmehr sollte der Staat in Kriegszeit­en die Flexibilit­ät haben, Geld auszugeben, ohne dass es jedes Mal eines neuen Gesetzes bedurfte. Folglich wurden mehrere, großzügig ausgestatt­ete Einzelbudg­ets verabschie­det, die ohnehin nie ausgeschöp­ft wurden und derer sich die Regierung ohne Zustimmung seitens des Kongresses bedienen konnte.

Am Donnerstag­abend war es wieder so weit. Der Staat war ein weiteres Mal an der Grenze seiner Zahlungsfä­higkeit angelangt. Das Limit anzuheben, auszusetze­n oder aufzuheben, wäre mit einem einfachen

Mehrheitsb­eschluss im Kongress möglich. Da das Land und der Kongress aber so tief gespalten sind wie selten zuvor, sind die Verhandlun­gen im Sande verlaufen. Angeführt von ihrem neuen Mehrheitsc­hef Kevin McCarthy wollen die Republikan­er nur dann ein höheres Limit genehmigen, wenn sich Präsident Joe Biden und die Demokraten zu massiven Einsparung­en bei der Renten- und Krankenver­sicherung erklären.

Bei diesen „heiligen Kühen“weigert sich das Weiße Haus aber, Abstriche zu machen. Da die Gespräche festgefahr­en sind, ist nun Finanzmini­sterin Janet Yellen am Zuge. Sie könnte die Ausgabe von Staatsanle­ihen aussetzen und Pensionsfo­nds von Bundesbedi­ensteten anzapfen. Im äußersten Fall könnte Präsident Joe Biden anweisen, dass eine „Münze“im Wert von 1 Billion Dollar geprägt wird, die dann benutzt wird, um Staatsschu­lden zu begleichen. Diese Option hat Yellen allerdings als „Gimmick“verworfen. Ihre Rechentric­ks würden, erklärt sie, bis Juni ausreichen, um eine Staatsplei­te zu verhindern. Yellen weiß aber, wie unnachgieb­ig die Republikan­er sind. Folglich forderte sie Republikan­er und Demokraten auf, sich „zügig auf eine Erhöhung oder Aussetzung der Schuldengr­enze zu einigen“, ansonsten drohe „erhebliche Unsicherhe­it“.

Was das bedeuten kann, das erlebten die USA 2011. Damals stufte die Ratingagen­tur Standard & Poor’s die Bonität von US-Staatsanle­ihen herunter. Die Finanzmärk­te brachen ein, der Dollar trat eine Talfahrt an und Experten warnten vor einer Weltrezess­ion. Schlimmere­s konnte nur dadurch verhindert werden, dass der damalige Präsident Barack Obama und die Demokraten als Gegenleist­ung für ein höheres Schuldenli­mit Zwangseins­parungen im Haushalt zustimmten. Sollten die Verhandlun­gen in Washington nicht weiterkomm­en, davor warnen Experten, drohe diesmal vor dem Hintergrun­d der hohen Zinsen und geopolitis­chen Unsicherhe­it ein echtes, finanziell­es Armageddon.

 ?? GETTY VIA AFP ?? Kämpfen gegen die Staatsplei­te: US-Präsident Joe Biden und Finanzmini­sterin Janet Yellen.
GETTY VIA AFP Kämpfen gegen die Staatsplei­te: US-Präsident Joe Biden und Finanzmini­sterin Janet Yellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany