Thüringische Landeszeitung (Jena)
Den USA droht der Staatsbankrott
Um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, braucht Joe Biden die Republikaner. Doch ein Kompromiss ist nicht in Sicht
Die USA haben die gesetzliche Schuldengrenze von derzeit 31,4 Billionen Dollar erreicht. Nun hat das US-Finanzministerium begonnen, „außerordentliche Maßnahmen“zu ergreifen, um eine Überschreitung und somit mögliche Zahlungsunfähigkeit zu verhindern. Gelingt es dem Weißen Haus und dem Kongress nicht, sich auf eine Erhöhung des Schuldenlimits zu einigen, dann könnten die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Staatspleite erleben – mit verheerenden Folgen.
Das Drama scheint sich in Washington alle paar Jahre zu wiederholen: Politiker reden über die Notwendigkeit, zu sparen und die Neuverschuldung zu reduzieren. Dann geschieht aber das Gegenteil. Jedes Jahr ein neues Haushaltsdefizit, das Loch in der Staatskasse wird immer größer, und immer wieder nähert sich der Fiskus dem sogenannten „debt ceiling“, also der „Schuldendecke“. Wird diese Grenze überschritten, dann wäre das Schatzamt außerstande, Zinszahlungen zu leisten oder Anleger zu bezahlen, deren Staatsanleihen fällig werden. Das können große Investmentunternehmen, Privatbürger, andere Staaten oder auch Notenbanken sein, die US-Staatsanleihen halten.
Die Ironie besteht darin, dass der Kongress diese Schuldengrenze im Jahr 1917 verabschiedete, um genau das Gegenteil zu erreichen:
Während des Ersten Weltkriegs ging es nicht darum, zu sparen. Vielmehr sollte der Staat in Kriegszeiten die Flexibilität haben, Geld auszugeben, ohne dass es jedes Mal eines neuen Gesetzes bedurfte. Folglich wurden mehrere, großzügig ausgestattete Einzelbudgets verabschiedet, die ohnehin nie ausgeschöpft wurden und derer sich die Regierung ohne Zustimmung seitens des Kongresses bedienen konnte.
Am Donnerstagabend war es wieder so weit. Der Staat war ein weiteres Mal an der Grenze seiner Zahlungsfähigkeit angelangt. Das Limit anzuheben, auszusetzen oder aufzuheben, wäre mit einem einfachen
Mehrheitsbeschluss im Kongress möglich. Da das Land und der Kongress aber so tief gespalten sind wie selten zuvor, sind die Verhandlungen im Sande verlaufen. Angeführt von ihrem neuen Mehrheitschef Kevin McCarthy wollen die Republikaner nur dann ein höheres Limit genehmigen, wenn sich Präsident Joe Biden und die Demokraten zu massiven Einsparungen bei der Renten- und Krankenversicherung erklären.
Bei diesen „heiligen Kühen“weigert sich das Weiße Haus aber, Abstriche zu machen. Da die Gespräche festgefahren sind, ist nun Finanzministerin Janet Yellen am Zuge. Sie könnte die Ausgabe von Staatsanleihen aussetzen und Pensionsfonds von Bundesbediensteten anzapfen. Im äußersten Fall könnte Präsident Joe Biden anweisen, dass eine „Münze“im Wert von 1 Billion Dollar geprägt wird, die dann benutzt wird, um Staatsschulden zu begleichen. Diese Option hat Yellen allerdings als „Gimmick“verworfen. Ihre Rechentricks würden, erklärt sie, bis Juni ausreichen, um eine Staatspleite zu verhindern. Yellen weiß aber, wie unnachgiebig die Republikaner sind. Folglich forderte sie Republikaner und Demokraten auf, sich „zügig auf eine Erhöhung oder Aussetzung der Schuldengrenze zu einigen“, ansonsten drohe „erhebliche Unsicherheit“.
Was das bedeuten kann, das erlebten die USA 2011. Damals stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonität von US-Staatsanleihen herunter. Die Finanzmärkte brachen ein, der Dollar trat eine Talfahrt an und Experten warnten vor einer Weltrezession. Schlimmeres konnte nur dadurch verhindert werden, dass der damalige Präsident Barack Obama und die Demokraten als Gegenleistung für ein höheres Schuldenlimit Zwangseinsparungen im Haushalt zustimmten. Sollten die Verhandlungen in Washington nicht weiterkommen, davor warnen Experten, drohe diesmal vor dem Hintergrund der hohen Zinsen und geopolitischen Unsicherheit ein echtes, finanzielles Armageddon.