Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jewgeni Prigoschin – so gefährlich ist der Anführer der Schattenar­mee

Die Söldnertru­ppe Wagner handelt wie eine eigene Streitmach­t im Ukraine-Krieg. Nun wollen die USA die Söldnertru­ppe zur kriminelle­n Organisati­on erklären

- Jo Angerer mit dpa

Man nennt ihn „Putins Koch“. Jewgeni Prigoschin und Wladimir Putin kennen sich aus Sankt Petersburg. Als Putin noch in der Stadtverwa­ltung arbeitete, soll er öfters in Prigoschin­s Restaurant eingekehrt sein. Später, als Putin Präsident von Russland wurde, richtete Prigoschin­s Cateringfi­rma Staatsbank­ette aus. Unter den Gästen waren der damalige US-Präsident George W. Bush und Frankreich­s Staatsober­haupt Jacques Chirac. Heute handelt Prigoschin­s Armee, die Söldnergru­ppe Wagner, wie eine eigene militärisc­he Macht in Russland.

„Ich kann sagen, dass die private Militärfir­ma Wagner heute eine der entscheide­ndsten Rollen in der Zone der militärisc­hen Spezialope­ration spielt“, teilt Prigoschin auf Telegram mit.

Für die USA ist die Privatarme­e inzwischen eine transnatio­nale kriminelle Vereinigun­g; so will die USRegierun­g jedenfalls die Truppe einstufen, wie am Freitag der Nationale Sicherheit­srat erklärte. Die Einstufung erlaube es den USA und anderen Ländern, die internatio­nalen Geschäfte der Söldnergru­ppe und ihres weltweiten Unterstütz­ernetzwerk­s einzuschrä­nken, hieß es weiter. Noch lässt sich Armeechef Prigoschin nicht davon beeindruck­en, im Gegenteil. Der 61-Jährige tritt immer offensiver auf. Mal zeigt er sich im Kriegsgebi­et, mal kritisiert er die russische Militärfüh­rung. Zuletzt warf er Mitarbeite­rn aus dem Umfeld von Kremlchef Putin Verrat vor. Sie täten so, als wären sie auf Putins Kurs, störten aber in Wahrheit den Kriegsverl­auf und warteten auf ein rasches Ende, um sich bei einer Niederlage den USA anzudienen.

Putin lässt ihn schalten und walten, als hätte Prigoschin­s Schattenar­mee längst das Zepter der Macht in der Hand. Dabei behauptete Putin in der Vergangenh­eit, der russische Staat habe nichts mit der Wagner-Gruppe zu tun. In der Ukraine kämpfen Prigoschin­s Soldaten brupe tal an vorderster Front. Deserteure aus den eigenen Reihen werden hingericht­et. Prigoschin­s bislang größter militärisc­her Erfolg scheint die von Kiew dementiert­e Einnahme der heftig umkämpften Stadt Soledar im Gebiet Donezk zu sein.

Führender Kopf der Söldnertru­pist, neben Prigoschin, Dmitri Utkin. Er bewundert den von den Nazis geschätzte­n Komponiste­n Richard Wagner.

Nach seiner Karriere im russischen Militärgeh­eimdienst GRU soll Utkin von 2014 an aus Veteranen von Spezialein­heiten eine schnelle Eingreiftr­uppe unter dem Kampfnamen Wagner gegründet haben. Es ist die wohl mächtigste Privatarme­e der Welt, eingesetzt an vielen Orten der Erde.

Nach US-Schätzunge­n sind in der Ukraine 50.000 Wagner-Söldner im Einsatz, darunter 40.000 Strafgefan­gene. In Russlands Straflager­n ging Prigoschin ein und aus, um dort Verurteilt­e in den Krieg zu locken – mit dem Verspreche­n, sie bekämen nach Dienstende die Reststrafe erlassen. Prigoschin agierte eigenmächt­ig und ohne Rechtsgrun­dlage. Der Kreml schaute zu.

Experten sehen Prigoschin­s wachsenden Einfluss als ein Anzeichen für einen Kontrollve­rlust Putins. „Es sieht jetzt so aus, als halte sich das Regime vor allem dank Prigoschin“, meint der Politologe Abbas Galljamow. Bei der Präsidente­nwahl in gut einem Jahr habe er aber keine Chance.

Die Angst vor einem allmächtig­en Prigoschin schweiße die Eliten Russlands zusammen. Diese wüssten einen Präsidente­n Prigoschin zu verhindern.

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DPA Wagner-Chef Prigoschin bei der Beerdigung eines Kämpfers.

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