Thüringische Landeszeitung (Jena)
Damit die Opfer in Jena nicht allein stehen
Der Weiße Ring hat in 15 Jahren mehr als 900 Menschen geholfen. Häusliche Gewalt war die häufigste Straftat
Der Verein „Weiße Ring“hilft den Opfern von Kriminalität und Gewalt. Nun gibt es einen Generationswechsel bei der Jenaer Außenstelle. Marie-Christin Sommer übernimmt die Leitung von Monika Prager, die 15 Jahre die Verantwortung trug. 905 Opfer wurden in dieser Zeit von den Mitarbeitern der Außenstelle und ihr betreut.
Die Mitglieder des Vereins erleben das Jenaer Kriminalitätsgeschehens in seiner traurigen Vielfalt. Von den 905 Opferfällen in 15 Jahren entfiel etwa ein Drittel auf häusliche Gewalt (335 Fälle). Zweithäufigster Grund für Hilfeersuchen waren Fälle von sexuellem Missbrauch/Sexualdelikte (216 Fälle). Fälle von Körperverletzungen liegen über die Jahre annähernd gleich bei 14 Prozent. Tötungsdelikte gab es in dieser Zeit sieben.
„Es ist schön, Menschen in dieser Situation helfen zu können“, sagt Monika Prager, die viele Jahre in
einem großen Unternehmen im Controlling gearbeitet hatte und für den Ruhestand eine ehrenamtliche
Aufgabe gesucht hatte. MarieChristin Sommer dankte ihr beim Mitgliedertreffen in dieser Woche für ihre langjährige Arbeit.
Verfahren gegen Straftäter enden häufig mit einer Geldstrafe oder werden gegen Zahlung einer Strafe eingestellt. Ein Teil dieser von Gericht verhängten Gelder kommt beim Weißen Ring an, der es für die Opferhilfe nutzt. Außerdem kann er Schecks ausstellen, mit denen Opfer Hilfe bei Rechtsanwälten oder Psychologen suchen können. Als Form psychischer Gewalt beschäftigt sich der Weiße Ring zudem mit Fällen von Stalking, also dem Verfolgtwerden durch eine andere Person.
Was würde sich der Weiße Ring vom Gerichtswesen wünschen? Monika Prager sagt, dass schnellere Verfahren vieles erleichtern könnten. Denn oft ist es so, dass die Verfahren erst nach einer gewissen Zeit beginnen. Opfer müssen dann bereits verarbeitete traumatische Situationen erneut aufrufen. „Wir begleiten die Opfer, wenn sie dies wünschen, zu den Gerichtsverhandlungen“, sagt Marie-Christin Sommer, die bereits während ihres Jurastudiums zum Weißen Ring fand und nach dem Staatsexamen dabei blieb.
Die Beratung beginnt aber schon vorher, dazu gehört auch die Vorbereitung darauf, dass längst nicht in jedem Fall mit der Verurteilung der Täter zu rechnen ist. Opferhilfe betreibt der Verein ferner durch Öffentlichkeitsarbeit etwa im Rahmen von Vorträgen oder im Netzwerk „Häusliche Gewalt“. Weitere Mitstreiter sind jederzeit willkommen.