Thüringische Landeszeitung (Jena)
Kein Grund zum Schämen
Wann haben Sie sich zuletzt für etwas geschämt? So ganz bei mir selbst fällt mir da schon etwas ein. Ich werde es natürlich hier nicht schreiben. Scham ist nicht umsonst ein unangenehmes Gefühl, das wie von selbst in den Rückzug führt.
In der Erinnerung an mein letztes Schämen kommt auch das Gefühl wieder in mir auf, dass ich am ehesten mit Enttäuschung über mich selbst beschreiben könnte. Ich hätte es so gern anders gehandhabt, habe anderes von mir erwartet.
An diesem Sonntag geht es in vielen Gottesdiensten um einen, der sich nicht schämen will. Paulus heißt er. Er muss zugleich zugeben, dass bei seinen größten und wichtigsten Aufgaben immer wieder etwas schief gelaufen ist, dass er hinter seinen selbst gesteckten Zielen zurückblieb, dass auch dort, wo er das Gute wollte, Schlechtes passiert ist. Doch was ihn antreibt und was er als stärkend erlebt, das ihm schon durch viele belastende Situationen geholfen hat, will er sich nicht madig machen lassen. Für ihn ist das der Glaube an Jesus Christus.
Der ist offen gesagt auch für mich die tragende Kraft. In einer unvergleichlichen Weise erlebe ich mich von Jesus Christus bejaht, so wie ich bin, und zugleich gelockt und beschenkt, mich weiter zu entwickeln. Der Glaube, das ist für mich die Erfahrung von einem grenzenlosen Vertrauen, das Gott in mich setzt. Daraus lebe ich. Das ist die Kraft für mich.
Ich weiß, dass es nicht die einzige Kraft ist, die Menschen antreibt. Darum geht es auch gar nicht. Was Sie antreibt und hoffen lässt, was Sie sich wieder aufrappeln lässt, wieder aufstehen lässt, was Sie antreibt, anderen Mut zu machen und Ihnen die Freiheit gibt, anderen Hilfe zu sein, schämen Sie sich dafür nicht! Auch wenn andere es belächeln oder nichts damit anfangen können. Bewahren Sie sich die Kraft in Ihrem Leben und lassen Sie sich diese Kraft gefallen. Ich wünsche Ihnen, dass sie zugleich in diesem Antrieb auch ein vorbehaltloses Ja zu sich selbst wahrnehmen. Es möge Sie tragen und stärken.