Thüringische Landeszeitung (Jena)
Mensch Rudi
Der neue DFB-Sportdirektor Rudi Völler glaubt an EM-Sieg. Sein Aufgabenbereich bleibt diffus
Frankfurt/Main. Rudi Völler spricht und ist erst einmal nicht zu verstehen. Vor ihm ist im Presseraum des DFB-Campus zwar ein Mikrofon aufgebaut, aber es ist noch ausgeschaltet – der 62-Jährige hat nicht daran gedacht, den richtigen Knopf zu drücken. Ein Hinweis von der Seite, dann ist das Problem gelöst. Aber mit der kurzen Szene hat Völler schon die erste Steilvorlage geliefert für die Kritiker der letzten Tage. Zu alt sei Völler, monierten die, ein Mann von gestern, keiner, der den deutschen Fußball in die Moderne führen könne – und trotzdem soll der frühere Teamchef zum DFB zurückkehren, als Sportdirektor für die A-Nationalmannschaft und die U21-Auswahl der Männer.
DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke verdreht die Augen, als er das hört. „Ich unterscheide nicht in jünger und älter, es gibt nur gut und schlecht“, sagt Watzke. „Und Rudi ist sehr gut.“So gut zumindest, dass er auch seine Grenzen genau kennt: „Ich bilde mir nicht ein, dass ich dazu berufen bin, die ganzen Strukturen des DFB und der Akademie zu verändern“, sagt Völler. Er will das Rad nicht neu erfinden und er hält das auch gar nicht für nötig: „Es ist ja Mode, ständig etwas Neues zu machen“, sagt er. „Aber bei aller Innovation müssen grundlegende Dinge beibehalten werden. Man muss als Jugendspieler auch mal einen Zweikampf gewinnen, nur so geht es.“
Die Rückkehr zu den Grundtugenden wird aber kaum reichen, um den Niedergang des deutschen Fußballs zu retten. Was genau macht Völler künftig, wenn er aus seinem Wohnort Düsseldorf in sein neues Büro in Frankfurt pendelt? Wie
sieht die Aufgabe aus, für die er seine Tätigkeiten als Botschafter und im Gesellschafterausschuss bei Bayer Leverkusen ruhen lässt?
Es folgt eine typische Rudi-VöllerAntwort. Man findet zwar irgendwie gut, was man da hört, aber man
ist danach auch nicht viel schlauer als vorher. Er wolle die Nationalmannschaft wieder volksnäher machen, sagt Völler. „Wie das aussieht, wird man sehen.“Man könne ja über Anstoßzeiten der Länderspiele und öffentliche Trainings reden.
Zudem will er seine Erfahrung einbringen und den Kontakt zu den Klubbossen halten. Es bleibt diffus und es bleibt der Eindruck, dass Rudi Völler vor allem deswegen ausgesucht wurde, weil er eben Rudi Völler ist. Und weil man ihm am ehesten zutraut, in seiner ganzen Rudivöllerigkeit jenen Stimmungsumschwung herbeizuführen, den man vor der EM 2024 im eigenen Land dringend braucht. Völler kann sehr einnehmend auftreten, kann ein Menschenfänger sein, kann aber auch deutliche Worte sprechen: An diesem Freitag in Frankfurt kritisiert er mal eben die DFB-Spitze für das Theater um die One-Love-Binde in Katar – und dann gleich noch Innenministerin Nancy Faeser. Die hätte „das eine oder andere lassen sollen“, sagt Völler über die SPD-Politikerin, die die Binde auf der Ehrentribüne getragen hatte.
Sein Anderthalbjahresprojekt gehe er „mit viel Elan und Freude“an, sagt Völler. Und mit großem Optimismus: „Ich bin überzeugt, dass wir eine Mannschaft haben, mit der wir 2024 Europameister werden können“, meint er. Weltmeister Argentinien etwa sei „von der Qualität der Spieler her nicht besser als wir“. Aber leidenschaftlicher und mit größerem Teamgeist ausgestattet. Auch da will Völler ansetzen, dann werde man bei der Heim-EM „eine wunderbare Mannschaft“haben.
Die Zeit danach aber sieht er weniger rosig: „In sechs, acht, zehn Jahren wird es problematisch sein.“Warum? Weil nur wenige Talente nachrücken, weil Fehler gemacht wurden in der Akademie, in der Ausbildung, in den Vereinen. Das aber wird nicht Völlers Sorge sein, diesen Teil soll künftig jemand anders übernehmen. Aber wer, wann und wie – das ist alles noch offen.